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Auch bei der Aktenerschliessung lohnt es sich, zwischen den Zeilen (bzw. den Blättern) zu lesen. Dabei findet sich oft spannendes dokumentarisches Material zum zeitgeschichtlichen Hintergrund eines Bestandes. Hier sehen Sie ein Beispiel aus der laufenden Erschliessung des Archivs der FDP des Kantons St. Gallen. In dem äusserlich nüchtern daherkommenden Protokollbuch der Jahre 1912-1918 wurde ein Exemplar des Aufrufs zur 1915 lancierten, sogenannten «nationalen Frauenspende» mit eingeklebt. Der eindrucksvolle Appell stellt die von den Schweizerinnen erbetene Spende (die sich am Schluss auf ca. 1 Million Franken belaufen wird) gleichberechtigt neben die Steuern und den Militärdienst. Und forderte damit im Gegenzug staatsbürgerliche Rechte ein, die den Schweizerinnen auch nach Kriegsende bekanntermassen noch Jahrzehnte lang verwehrt bleiben sollten!

Das Thema Solidarität in der Krise und die Frage, ob und wie Krisenerfahrungen eine Gesellschaft auch nachhaltig verändern können, sind gerade auch heute wieder aktuell. Dabei zeigt das Beispiel dieses Protokollbuchs, dass unter dem manchmal nicht nur sprichwörtlichen «Archivstaub» auf einmal «Aktualitäten» aufscheinen können. Ein Archiv ermöglicht also nicht nur den Dialog mit der Vergangenheit sondern auch mit der Gegenwart.

Quelle: Historisches Archiv der FDP des Kantons St. Gallen, StASG W 353.

Und am kommenden Mittwoch erfahren Sie, warum Ostschweizer Reformpädagogen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die «Fusslümmelei» gefördert haben.

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