Aktuell wird der Wildeinfluss auf die Waldverjüngung in sieben von elf Wildlebensräumen (WLR) aus Sicht Walderhaltung (nachhaltige Sicherstellung der Waldleistungen) als tragbar erachtet (nicht tragbar in den WLR 1b, 3b, 8 und 9). Erfreulicherweise hat sich die Verbisssituation in einigen Wildlebensräumen des Kantons gegenüber früher verbessert.
Die gutachtliche Lebensraumbeurteilung (LRB) wird alle vier Jahre - abgestimmt auf die strategische Jagdplanung - vom Forstdienst, der Wildhut und der Jägerschaft durchgeführt. Der flächendeckende Überblick der Verbisssituation bildet die Grundlage, um die Tragbarkeit des Wildeinflusses auf die Waldverjüngung einzuschätzen. Beurteilt wird, ob die vorhandene natürliche Verjüngung in verjüngungsrelevanten Beständen ohne Wildschadenverhütungsmassnahmen aufwachsen kann (Referenz: Verjüngungssollwerte nach NaiS; massgeblicher Wildeinfluss). Der St.Galler Massnahmenplan der Wald-Wild-Lebensraumkommission | sg.ch sieht vor, dass sich der Wald auf minimal 75% der Waldfläche mit standortgerechten Baumarten ohne Schutzmassnahmen natürlich verjüngen kann. Im Schutzwald (Wald schützt vor Naturgefahren | sg.ch) liegt die Vorgabe höher: hier sollen 90% der effektiven Schutzwaldfläche ohne Schutzmassnahmen natürlich und standortgerecht verjüngt werden können. Kann diese Vorgabe in einem Wildraum nicht erfüllt werden, gilt der Wildeinfluss als untragbar.
Gutachtliche Einschätzung und weiterführende Abklärungen
Der Wildeinfluss wird in vier von elf Wildlebensräumen als nicht tragbar erachtet (WLR 1b, 3b, 8 und 9; bezogen auf die Schutzwaldfläche). Bezogen auf die Gesamtwaldfläche wird die Situation lediglich im WLR 9 als nicht tragbar beurteilt. Herausfordernd bleiben die Waldregion 3 im südlichen Sarganserland sowie das Werdenberg. Da die Wildhut und der Forstdienst den Einfluss des Wildes auf die Verjüngung in einzelnen Regionen unterschiedlich beurteilt haben, wurden vertiefte, durch die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL wissenschaftlich begleitete Erhebungen beschlossen. Nach der Verjüngungskontrolle VEKO Pilotprojekt 2018 | sg.ch in den WLR 2 und 8 wurde das WSL-Totverbissprojekt WRG3 | sg.ch lanciert. Damit wird eruiert, inwiefern die Wildhuftiere für die geringe Verjüngungsdichte verbissanfälliger Baumarten im Anwuchs verantwortlich sind, oder ob andere Ursachen vorliegen.
Entwicklung LRB 2017/2018 und 2021/2022
- In sieben von elf WLR ist die Situation bezogen auf die Gesamtwaldfläche unverändert, in drei WLR erfolgte eine Abnahme des Wildeinflusses und in einem eine Zunahme. Bezogen auf die Schutzwaldfläche erfolgten zwei Ab- und eine Zunahme.
- Insgesamt hat sich die LRB im WLR 2 von «gut» zu «tragbar», im WLR 3b von «tragbar» zu «nicht tragbar» verschärft und im WLR 4 von «tragbar» zu «gut» (unter Vorbehalt vgl. unten) verbessert.
- Die Verbesserung der Verbisssituation im WLR 4 ist nicht aussagekräftig. Da in Kirchberg im Herbst 2022 die oben erwähnte Verjüngungskontrolle (VEKO) durchgeführt wurde, wurde in Erwartung dieser Ergebnisse kein Eintrag in der LRB vorgenommen. Die Situation dürfte gegenüber der Vorerhebung unverändert sein.
- Die Abnahmen der Flächen, in denen die Verjüngungssollwerte ohne Wildschadenverhütungsmassnahmen nicht erreicht werden können, in den WLR 8 und 9 sind erfreulich und deuten auf eine leichte Verbesserung hin, allerdings weiterhin auf hohem Niveau. Nicht zuletzt darum wurden das oben erwähnte Totverbissprojekt sowie ein Weisstannenprojekt (pflanzen und zäunen) initiiert.
- Die heute massgebenden Verjüngungssollwerte nach NaiS berücksichtigen Laubholzarten zu wenig (v.a. in Tieflagen wichtig), und den Klimawandel gar nicht. Auf die nächste LRB sind diesbezüglich Anpassungen und eine digitale Erhebung geplant.
Die Lebensraumbeurteilung entspricht der Massnahme 2 des St.Galler Massnahmenplans Wald-Wild-Lebensraum aus dem Jahr 2015 (WWLK): «Die Lebensraumkapazität ist entscheidend für die Verträglichkeit der Wildbestände. Mit der Beurteilung des Waldlebensraums werden Parameter erfasst, die wichtige Hinweise in Bezug auf den Zustand des Lebensraums (Defizite, Verbesserungspotenzial usw.) und auf die Höhe der Wildbestände liefern. Die Methode wurde gemeinsam vom Kantonsforstamt und Amt für Natur, Jagd und Fischerei erarbeitet; es handelt sich um eine gutachtliche Einschätzung der Situation auf Ebene Jagdrevier.»
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Pascal Gmür
Forstingenieur FH
Forstingenieur