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Borkenkäfer spielen eine wichtige ökologische Rolle in der Walddynamik. Sie sind Pioniere im Abbau geschwächter oder toter Bäume, dienen als Nahrung für andere Organismen und können als sog. Ökosystemingenieure ganze Lebensräume gestalten.

Borkenkäfer
Borkenkäfer können Fichtengruppen zum Absterben bringen. Sie schaffen damit viel Totholz und somit viel Lebensraum. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Üblicherweise und gerade nach den letzten Trockenjahren wird der Buchdrucker (Ips typographus) vor allem als Schädling wahrgenommen. Tatsächlich kann er in Jahren von Massenvermehrungen wichtige vom Menschen erwartete Waldleistungen wie Holzproduktion, Schutz vor Naturgefahren oder Erholung massiv beeinträchtigen. Er erfüllt aber zusammen mit anderen Borkenkäfern auch wichtige Funktionen im Ökosystem.

Pionier im Nährstoffkreislauf

Einzelne geschwächte, kranke und alte Bäume sind Bestandteil jedes gesunden Waldes, der sich vom Menschen unbeeinflusst entwickelt. Solche Bäume werden gezielt von bestimmten Borkenkäferarten wie dem Buchdrucker besiedelt, was meist zum Absterben der Bäume führt. Dies schafft Platz für junge, nachwachsende Bäume und fördert die generelle Vitalität eines Waldes. Wenn eine Fichte durch Sturm, Blitzschlag oder Krankheit abstirbt, wird sie schnell vom Buchdrucker und anderen Borkenkäferarten besiedelt. Die Käfer wirken damit als Pioniere zu Beginn des Abbauprozesses, während dem die im Baum gespeicherten Nährstoffe wieder den wachsenden Bäumen verfügbar gemacht werden.

Abwehr überwinden

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Borkenkäfer haben die Rinde des Sturmholzes bereits für weitere Organismen erschlossen (Foto: Pascal Gmür).

Die unmittelbar nach dem Absterben noch intakte Rinde enthält toxische, pilzhemmende Inhaltstoffe, welche eine rasche Besiedlung durch holzabbauende Pilze verhindern. Wenn nun die Borkenkäfer als erste Organismen in die Rinde eindringen, schleppen sie Pilze ins Holz ein, und die Ein- und Ausbohrlöcher dienen als Eintrittspforten für weitere Pilzsporen. Der Frass der Larven und Jungkäfer im Bast führt dazu, dass sich die Rinde vom Splintholz löst und der Holzkörper zugänglich für weitere holzabbauende Organismen wird.

Borkenkäfer als Nahrung

Der Dreizehenspecht (hier ein Männchen) ernährt sich zu einem grossen Teil von Borkenkäfern.
Abb. 1: Der Dreizehenspecht (hier ein Männchen) ernährt sich zu einem grossen Teil von Borkenkäfern. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Wie praktisch alle Organismen dienen auch Borkenkäfer als Nahrung für höhere Stufen in der Nahrungskette. Viele dieser natürlichen Feinde können massgeblich Einfluss auf die Populationsdynamik der Käfer haben. Am bekanntesten sind wohl die Spechte. Obwohl auch andere Vögel sporadisch Borkenkäfer im Flug oder auf der Rindenoberfläche erwischen, haben Spechte eine herausragende Bedeutung. Als einzige Vögel vermögen sie auch unter der Rinde verborgene Käfer und ihre Larven zu erreichen. Die Nutzung von Borkenkäfern als Nahrung ist je nach Spechtart saisonabhängig. Im Winter sind andere Nahrungsquellen wie Raupen oder Ameisen Mangelware oder schlecht zugänglich, sodass bei einigen Spechtarten die Borkenkäfer bis 99 Prozent der Nahrung ausmachen können. Spechte tragen direkt und indirekt zur Mortalität von Borkenkäfern bei. Einerseits picken sie Käfer von der Rindenoberfläche und hacken Larven, Puppen und Jungkäfer aus der Baumrinde heraus. Anderseits fallen abgehackte Rindenplatten mit der darin liegenden Borkenkäferbrut zu Boden, wo die Brut entweder vertrocknet, von Vögeln aufgepickt oder von räuberischen Insekten und Kleinsäugern gefressen wird. In totholzreichen Fichtenwäldern ist der Dreizehenspecht ein wichtiger natürlicher Feind von Borkenkäfern (Abb. 1). Er löst befallene Rindenstücke vom Stamm und pickt die Larven heraus. Pro Wintertag vertilgt ein Specht rund 3'000 Käferlarven.

Natürliche Gegenspieler

Abb. 2: Ein Ameisenbuntkäfer hat einen Buchdrucker erbeutet und weidet ihn aus.
Abb. 2: Ein Ameisenbuntkäfer hat einen Buchdrucker erbeutet und weidet ihn aus. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Daneben gibt es gegen hundert verschiedene Insektenarten, die sich räuberisch oder parasitisch vom Buchdrucker ernähren. Die auffälligste Art ist zweifellos der schwarz-rot-weiss gefärbte Ameisenbuntkäfer (Abb. 2). Er ernährt sich sowohl als Larve als auch als adulter Käfer von verschiedenen Borkenkäferarten. Weitere räuberische Käfer gibt es unter anderem bei den Familien der Jagdkäfer, Glanzkäfer, Rindenglanzkäfer und Kurzflügler. In den Brutbildern sind häufig längliche, cremefarbene Maden zu finden. Sie gehören zu den räuberischen Lanzen- und Langbeinfliegen. Diese unscheinbaren Larven sind wahrscheinlich die wichtigsten Feinde von Borkenkäfern, während die daraus entstehenden, erwachsenen Fliegen nicht räuberisch leben.

Parasitische Schlupfwespen

Alle Stadien von Borkenkäfern können spezialisierten Schlupfwespen als Wirte dienen. Die meisten parasitischen Wespen entwickeln sich an Larven und Puppen von Borkenkäfern. Für die Eiablage stechen die meisten dieser kleinen Wespen ihr Eiablageorgan durch die Rinde und legen ein Ei auf den Wirt. Die geschlüpften Larven fressen danach den Körperinhalt ihrer Wirte langsam auf und lassen nur eine leere Hülle und die Kopfkapsel zurück. Gewisse Wespen parasitieren auch adulte Borkenkäfer.

Auch Milben können von Borkenkäfern profitieren. Gewisse räuberische Arten saugen Borkenkäfereier aus, andere benutzen die Käfer als Transportmittel, um von einem Baum zum nächsten zu gelangen. Dort ernähren sie sich in den Borkenkäfergängen von Abfallstoffen.

Borkenkäfer sind Lebensraum-Gestalter

Einige Borkenkäferarten wie der Buchdrucker sind sogenannte Ökosystem-Ingenieure. Wenn sie in grösserem Umfang lebende Bäume zum Absterben bringen, verändern sie ganze Landschaften und schaffen Lebensräume für andere Organismen. Bei einer Massenvermehrung des Buchdruckers entsteht viel stehendes Totholz, das zahlreichen Pilzen, Insekten – vor allem Käfern – und Spechten als Lebensraum dient. Verlassenen Käfergänge und Spechthöhlen sind ihrerseits wieder Brut-, Nist- und Schlafgelegenheiten für viele weitere Insekten, Vögel, Kleinsäuger und Fledermäuse. 

Hotspot der Insekten-Biodiversität

Abb. 3: Der seltene Sechsfleckige Bockkäfer (Judolia sexmaculata) entwickelt sich in toten Wurzeln und Strünken von Fichten. Seine Larven profitieren vom vielen Totholz und die Käfer vom Blütenangebot in alten Borkenkäfernestern.
Abb. 3: Der seltene Sechsfleckige Bockkäfer (Judolia sexmaculata) entwickelt sich in toten Wurzeln und Strünken von Fichten. Seine Larven profitieren vom vielen Totholz und die Käfer vom Blütenangebot in alten Borkenkäfernestern. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Nach dem Umstürzen der toten Bäume dient das liegende Totholz Amphibien als Überwinterungsort, und auf Stämmen und Strünken, die in alten Käfernestern aus der Bodenvegetation ragen, können sich Reptilien sonnen. Das sich über Jahrzehnte zersetzende Holz wird je nach Abbaugrad von den unterschiedlichsten Käfer-, Hautflügler-, Fliegen- und Mückenarten als Lebensraum genutzt (Abb. 3). Eine Untersuchung im Nationalpark Bayerischer Wald zeigte, dass die durch Borkenkäferbefall entstandenen Bestandesränder Hotspots der Insekten-Biodiversität waren. Speziell die Totholzkäfer und die Wildbienen- und Wespenvielfalt war in den ehemaligen Befallsherden ungleich grösser als im intakten Wald.

Licht in dunklen Wäldern

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Abb. 4: Der Buchdrucker kann als ökologisch wertvolle Störung wirken: Nach einem Befall entsteht ein neues Habitat mit Krautpflanzen, Pioniergehölzen und viel Totholz. Diese Lebensraum wird von unzähligen Organismen genutzt, bis wieder ein geschlossener Wald mit anderen Bewohnern entsteht. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Wo der Wald sich vorher als dichter Fichtenbestand präsentierte, entsteht nach einem Befall durch den Borkenkäfer und dem Zusammenbrechen der Bäume für einige Zeit ein offenes, besonntes Habitat (Abb. 4). Das löst ein starkes Wachstum von verschiedensten krautigen Pflanzen wie Himbeere, Brombeere, Walderdbeere, Weidenröschen oder Farn aus, bevor Pioniergehölze wie Weide, Birke, Vogelbeere und schliesslich die Schlussbaumarten dominieren. Dieser Prozess kann je nach klimatischen Bedingungen Jahrzehnte dauern. In dieser Zeit unterscheidet sich die ehemalige Käferfläche komplett vom umgebenden Wald und bietet nicht nur pflanzenfressenden und blütenbesuchenden Insekten Nahrung, sondern ist auch Lebensraum einer spezifischen Kleinsäuger- und Vogelfauna. Gerade das grosse Angebot an Totholz begünstigt viele gefährdete Insekten- und Pilzarten. Zudem werden solche Käferflächen gerne vom Wild als willkommene Äsungsflächen genutzt.

Auswirkung auf den Nährstoffkreislauf

In Käfernestern verändern sich auch die hydrologischen und chemischen Eigenschaften des Bodens. Der Wasserabfluss aus dem Boden ins Grundwasser und in Bäche nimmt zu, ebenso vorübergehend der Nitratgehalt des Grundwassers. Der kurzfristig massiv erhöhte Nadelfall und das veränderte Bodenklima erhöhen die Stickstoff-Mineralisierungsrate, was sich auch längerfristig in einem höheren Stickstoffgehalt in den neuen Nadeln der überlebenden Bäume niederschlägt. Borkenkäferbefälle von regionalem oder gar kontinentalem Ausmass führen dazu, dass die betroffenen Wälder weniger Kohlenstoff binden und vorübergehend von einer Kohlenstoffsenke zu einer Quelle werden. Die überlebenden Bäume und der nachwachsende Jungwuchs kompensieren dies aber nach ein bis zwei Jahrzehnten.

Borkenkäfer haben somit nicht nur eine ökonomische, für uns Menschen meist negative Bedeutung, sondern sie sind auch ein wesentlicher Bestandteil im Nahrungsnetz, beim Umsatz von Nährstoffen und beim Gestalten von Lebensräumen.

Kontakt

 

Dr. Beat Wermelinger

Eidg. Forschungsanstalt WSL,

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8903 Birmensdorf,

beat.wermelinger@wsl.ch

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