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Borkenkäfer sind wieder hochaktuell. Der Artikel fasst die Lebensweise des Buchdruckers zusammen und erläutert, wie Massenvermehrungen entstehen und sich entwickeln, und was künftig unter dem Einfluss des Klimawandels zu erwarten ist.

Lebensweise des Buchdruckers

Käferbefall
Abb. 1: Frisch angelegte Brutsysteme an einem liegenden Baum zeigen schön den Aufbau eines Brutbildes: die von den eingebohrten Käfern angelegten Muttergänge (dicke Gänge mit Käfern) und die davon abzweigenden Larvengänge. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Hitze und Trockenheit der letzten Jahre haben gebietsweise zu einer starken Zunahme von Borkenkäferbefällen an Fichte und teilweise Weisstanne geführt. Der seit jeher gefürchtetste Borkenkäfer ist der Buchdrucker (Ips typographus). Mit einer Grösse von rund fünf Millimetern ist diese schwarzbraun gefärbte Art bereits ein grosser Vertreter der fast 120 Borkenkäferarten in der Schweiz. Er ist auf Fichten (Rottannen) spezialisiert, geht ausnahmsweise aber auch an Föhren und ganz selten an andere Nadelbäume. Laubbäume hingegen kann er nicht befallen.

Besiedelung

Käferbaum
Sonnenexponierte geschwächte Fichten an Steilrändern sind beliebte Wirtsbäume des Buchdruckers. (Foto: Marco Signer, Revierförster)

Für die Besiedlung suchen die sogenannten Pioniermännchen geeignete Fichten. Dabei lassen sie sich von optischen Signalen und wirtsbaumspezifischen Duftstoffen leiten. Nach dem Einbohren in die Rinde produzieren sie Duftstoffe (Aggregationspheromone) und locken damit weitere Artgenossen an. Die Paarung findet in der sogenannten Rammelkammer unter der Rinde statt, und anschliessend legen die zwei bis drei Weibchen pro Brutsystem ihre Eier in den längs zum Stamm verlaufenden Muttergängen ab. Die geschlüpften Larven entwickeln sich im nährstoffreichen weichen Bastteil der Rinde und verpuppen sich am Ende der Larvengänge – es entsteht das charakteristische Brutbild (Abb. 1).

Entwicklungszyklus

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Der Buchdruckerbefall infolge vermehrter Sommertrockenheit und höheren Temperaturen wird bis Ende dieses Jahrhunderts zu einem starken Rückgang der Fichte führen. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Die gesamte Entwicklung des Buchdruckers, inklusive Reifungsfrass der Jungkäfer am Ort ihrer Entwicklung, dauert 2‒3 Monate. Danach fliegen die Käfer aus oder – je nach Generation und Höhenlage – überwintern unter der Rinde. Die Entwicklungsdauer des Buchdruckers ist strikt temperaturabhängig, und damit auch die Anzahl der jährlichen Generationen. In den Tieflagen Mitteleuropas entstehen meist zwei Generationen pro Jahr. Dabei fliegt die überwinterte Generation im April/Mai und die erste(!), im Frühling entstandene Generation im Juli/August. Diese Tiere legen die zweite Generation an, die normalerweise in den Brutbäumen überwintert. In höheren Lagen ab rund 1500 m ü.M. entsteht in der Regel eine einzige Generation. Der Stand der Borkenkäferentwicklung und die Flugaktivität können tagesaktuell für jede Region der Schweiz online unter www.borkenkaefer.ch abgefragt werden.

Konkurrenz vermeiden

Duftstoffe spielen nicht nur beim Anlocken von Artgenossen eine wichtige Rolle, sondern auch bei der Regulation der Besiedlungsdichte. Wird die Käferdichte in einem Baum zu hoch, stossen die eingebohrten Käfer ein «Anti-Aggregationspheromon» aus. Dieses weist weitere Artgenossen ab und verhindert damit bei hoher Besiedlungsdichte eine zu grosse Konkurrenz.

Buchdrucker gehören zum Wald

Der Buchdrucker kommt überall vor, wo es Fichten gibt. Er fristet sein Dasein üblicherweise in einzelnen abgestorbenen oder stark geschwächten Bäumen und in Strünken. Dieses Substrat ist zwar arm an Abwehrstoffen und damit einfach zu besiedeln, aber die Rindenqualität ist gering und die sich darin entwickelnde Käferbrut steht in Konkurrenz mit Larven anderer Käferarten, zum Beispiel von Bockkäfern. Zudem sind diese Substrate relativ selten und zufällig in der Landschaft verteilt. Diese Einschränkungen führen zu einer niedrigen Vermehrungsrate der Populationen. In dieser Latenzphase ist den Borkenkäfern die Besiedlung von vitalen Bäumen völlig unmöglich.

Abwehrmittel der Bäume

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Abb. 2: Im Harz steckengebliebener Buchdrucker. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Gesunde Bäume können eindringende Insekten mit Harz abwehren, das einerseits als physische Barriere wirkt und anderseits mit darin enthaltenen giftigen Substanzen die Käfer abtötet. Diese Resistenz besteht zum einen aus dem Harz, das schon vor einem Befall in Rinde und Holz gespeichert ist, und zum andern aus der Imprägnierung der frisch befallenen Gewebeteilen mit toxischen Substanzen. Deshalb bleiben Käfer, die sich einzeln in gesunde Bäume einbohren wollen, im Harz stecken (Abb. 2) oder ihre junge Brut stirbt ab. Mittelfristig kann ein Baum nach einem abgewehrten Befall die Resistenz erhöhen, indem um die befallenen Zonen herum zusätzliche Harzkanäle angelegt werden.

Warum entstehen Massenvermehrungen?

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Abb. 3: Zusammenhang zwischen Baumvitalität (Resistenz) und Grösse der Käferpopulation: Je höher die Vitalität, desto mehr Käfer braucht es, um lebende Bäume zu besiedeln und abzutöten, d.h. um von der endemischen in die epidemische Phase mit Massenbefall überzugehen. (Grafik: Beat Wermelinger, WSL)

Damit es zu einer Massenvermehrung kommen kann, braucht es äussere Störungen, meist in Form von Stürmen oder längerer Trockenheit. Grossflächige Stürme stellen den Borkenkäfern abwehrarmes Windwurfholz in grosser Menge zur Verfügung. In diesem können sie ihre Populationen soweit erhöhen, dass plötzlich auch ein Befall vitaler Fichten möglich wird (vgl. Abb. 3). Da ein Sturm meist auch die stehengebliebenen Bestände schwächt (Wurzelschäden, Auflichtungen), werden diese für einen Folgebefall durch Borkenkäfer anfällig. Ein weiterer wichtiger Auslöser sind Trockenperioden, meist gepaart mit hohen Temperaturen. Der Wassermangel setzt die Bäume unter Stress, reduziert ihre Harzproduktion und macht sie befallsanfällig. Trockenheit wirkt oft grossflächig, sodass derart ausgelöste Käferausbrüche verbreitet auf Landschaftsebene stattfinden, während Massenvermehrungen nach Windwurf sich auf die betroffenen Gebiete beschränken. Diese können nach Grossstürmen allerdings ebenfalls überregional sein.

Störungen schwächen die Bäume

Die klimatischen Störungen ermöglichen den Käfern, eine Populationshöhe zu erreichen, in der sie nun auch vitale Bäume besiedeln können. Die vielen sich gleichzeitig einbohrenden Käfer können die Abwehr dieser Bäume überwinden, da sich deren Harzabwehr erschöpft. Die Besiedlung ist für die Käfer zwar immer noch risikobehaftet, im Erfolgsfall erreichen sie aber eine höhere Vermehrungsrate: Potenzielle Wirtsbäume sind im Überfluss vorhandenen, die Rinde besitzt eine gute Nahrungsqualität, und die sich entwickelnde Brut ist praktisch konkurrenzlos, da bei Befallsbeginn andere Käferarten weder angelockt werden noch die Abwehrmechanismen der Fichten überwinden können. Der Befall vitaler Fichten ist aber nur bei hohen Populationsdichten erfolgreich. Dies ergibt eine entscheidende Wechselwirkung zwischen der Widerstandskraft eines Wirtsbaums und der Menge der vorhandenen Käfer: Je vitaler der Wirtsbaum, desto höher die minimal notwendige Zahl der angreifenden Käfer (Abb. 3).

Zusammenarbeit mit Bläuepilzen

Bei der Besiedlung werden die Käfer auch von symbiotischen Pilzen (Bläuepilze) unterstützt, die zur Überwindung der Harzabwehr und zum Absterben der befallenen Bäume beitragen. Ein befallener Baum stirbt darum aus zweierlei Gründen ab: Die mitgebrachten Pilze verstopfen die Leitgefässe im Splintholz, was den Wassertransport von den Wurzeln zur Krone unterbricht; der Baum «verdurstet». Nach dem erfolgreichen Etablieren der Brut wird aber durch den Larvenfrass im Bast auch der Transport der Assimilate (Zucker) von der Krone zu den Wurzeln unterbrochen, was die Nährstoffaufnahme aus dem Boden unterbindet; der Baum «verhungert».

Räumlicher Befallsverlauf

Abb. 4: Das Entstehen neuer Befälle in Abhängigkeit vom Abstand zu bestehenden Käfernestern.
Abb. 4: Das Entstehen neuer Befälle in Abhängigkeit vom Abstand zu bestehenden Käfernestern. (Grafik: Beat Wermelinger, WSL)

Nach einem Windwurf vermehren sich die Käfer zuerst im frischen Fichtensturmholz. Je nach Höhenlage, Exposition, Temperatur, Rindendicke und Wurzelkontakt ist dieses Holz nach 1-3 Jahren ausgetrocknet und nicht mehr bruttauglich. Die massenhaft ausfliegenden Käfer gehen nun auf die angrenzenden Randbäume über, die noch vom Sturm geschwächt sind und deren Stämme durch die plötzliche Freistellung unter der intensiven Sonneneinstrahlung leiden. Gleichzeitig entwickeln sich um einzelne geworfene und geschwächte Bäume im Bestandesinneren weitere Befälle, wodurch es zu Käfernestern im Bestand kommt. Die sich in der Folge neu bildenden Käfernester entstehen zu über 90% näher als 500 m und zu zwei Dritteln sogar innerhalb von 100 m um einen Vorjahresbefall (Abb. 4). Im Extremfall können die Käfernester mit der Zeit sogar zu einem flächigen Befall zusammenfliessen.

Zeitlicher Befallsverlauf

Üblicherweise dauert eine Massenvermehrung des Buchdruckers einige wenige Jahre. Im Falle der beiden grössten mitteleuropäischen Massenvermehrungen der letzten Jahrzehnte im deutschen Nationalpark Bayerischer Wald zog sich der Befall – ohne menschliche Eingriffe – jeweils gegen 10 Jahre hin. Dieser wurde begünstigt durch trockene und heisse Sommer, wiederkehrende kleinere Störungen wie Schneebruch im Winter und weitere Sturmereignisse sowie durch die Schwächung der Wirtsbäume infolge kurz aufeinanderfolgender Vollmastjahre. Mit den in bewirtschafteten Wäldern üblichen Bekämpfungsmassnahmen ist die Dauer einer Massenvermehrung deutlich kürzer: nach Vivian (1990) sechs, nach Lothar (1999) acht Jahre. Bei letzterem Ereignis spielte allerdings auch das Hitzejahr 2003 eine bedeutende Rolle. Befälle nach kleineren Stürmen dauern üblicherweise weniger lang. Bei trockenheitsbedingten Massenvermehrungen hängt die Dauer eines Ausbruchs vorwiegend von der Dauer der Trockenheit ab. Der wichtigste Faktor für den Verlauf und die Dauer einer Massenvermehrung ist jedoch die Temperatur.

Rückgang

Der  Rückgang eines Befalls hat verschiedene Gründe: zunehmende Widerstandskraft der Wirtsbäume (v.a. durch ausreichende Niederschläge), kühle Witterung, Eigenkonkurrenz der Bruten, die Wirkung natürlicher Feinde (räuberische und parasitische Insekten, Pilzkrankheiten, Spechte; s. Artikel 'Ökologische Bedeutung' in diesem Heft) und die menschlichen Bekämpfungsmassnahmen. Wird die kritische Schwelle für Stehendbefall unterschritten (Abb. 3), kommt die Massenvermehrung zu einem Ende.

Massnahmen

Abb. 5: Grüne, am Boden liegende Nadeln sind ein typisches Zeichen für fortgeschrittenen Borkenkäferbefall.
Abb. 5: Grüne, am Boden liegende Nadeln sind ein typisches Zeichen für fortgeschrittenen Borkenkäferbefall. (Foto: Beat Wermelinger, WSL)

Stehendbefall muss möglichst frühzeitig erkannt werden. Dabei kann man sich auf Symptome wie Einbohrlöcher, Bohrmehl auf Rindenschuppen und auf der Bodenvegetation, fahlgrüne Nadeln am Boden (Abb. 5), Spechtaktivität am Stamm oder – meist von unten her – beginnende Verfärbung der Krone abstützen. Zwangsgenutzte Bäume müssen entweder vor dem Ausflug der Käfer aus dem Wald abgeführt oder entrindet werden. Enthält die Rinde «weisse Stadien» (Larven, Puppen), kann sie liegengelassen werden, da der grösste Teil der Brut vertrocknet. Sind Jungkäfer vorhanden, muss die Rinde gehäckselt, verbrannt oder aus dem Wald abgeführt werden. Es lohnt sich aber, anhand einer Probefällung zu prüfen, ob die Käfer nicht schon ausgeflogen sind. In diesem Fall hat eine Zwangsnutzung keinen phytosanitären Zweck mehr, im Gegenteil: Ein Teil der natürlichen Insektenfeinde befindet sich noch rund einen Monat unter der Rinde und würde beim Zwangsnutzen vernichtet. Käferfallen dienen im Allgemeinen nur der Überwachung und haben bei einer Massenvermehrung kaum bekämpfende Wirkung. Detailliertere Angaben zum Management von Borkenkäferbefall sind im Merkblatt für die Praxis Nr. 44 der WSL zu finden: Sturm, Witterung und Borkenkäfer.

Borkenkäferbefall im Klimawandel

Für den grössten Teil Europas werden in der zweiten Jahrhunderthälfte deutlich höhere Temperaturen und vermehrte Sommertrockenheit erwartet. Ein Vorgeschmack davon war bereits 2003, 2018 und 2019 zu spüren. Die beiden Klimafaktoren Temperatur und Trockenheit werden sich stark auf die Käferpopulationen und das Befallsrisiko auswirken. Die höheren Temperaturen beschleunigen die Käferentwicklung, sodass in tiefergelegenen Regionen die Anzahl Generationen pro Jahr von zwei auf drei ansteigen wird. In höheren Lagen mit bisher einer Generation werden gebietsweise zwei ausgebildet. Die Ausflugs- und damit Befallszeit des Buchdruckers im Frühling wird früher einsetzen und seine Aktivitätszeit sich weiter in den Herbst hineinziehen. Mildere Winter bedeuten auch, dass sich angefangene Generationen im Winter vermehrt fertig entwickeln können. Der zunehmende Trockenstress wird vor allem im Sommer die Abwehrfähigkeit der Fichte gegen Buchdruckerbefall reduzieren. Warme und trockene Bedingungen haben schon seit jeher die Massenvermehrung von Borkenkäfern begünstigt. Der laufende Klimawandel wird das Befallsrisiko in fichtenreichen Wäldern weiter erhöhen. Trockenheit und Käferbefall werden die Fichte in den Wäldern der Tieflagen somit deutlich ausdünnen. Dies hat aber auch zur Folge, dass Massenvermehrungen des Buchdruckers gegen Ende dieses Jahrhunderts in Wäldern tieferer Lagen kaum mehr vorkommen und nur noch in den fichtenreichen Gebirgswäldern möglich sein dürften.

Literatur und Kontakt

Wermelinger B. & Jakoby O, 2019: Borkenkäfer. In: Wohlgemuth T., Jentsch A., Seidl R. (Ed.), Störungsökologie. Haupt, Bern, S. 236-255.

 

Dr. Beat Wermelinger

Eidg. Forschungsanstalt WSL,

Zürcherstrasse 111

8903 Birmensdorf,

beat.wermelinger@wsl.ch

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