Das Tafelzimmer war während der Barockzeit der wichtigste Repräsentationsort des St.Galler Fürstabts. Hier speiste er mit seinem engsten Stab und illustren Gästen. Auch heute noch ist das Tafelzimmer das repräsentativste und daher auch das begehrteste Sitzungszimmer im Regierungsgebäude.
Raumausstattung des Tafelzimmers
Die Raumausstattung des Tafelzimmers rührt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Farbiger Stuckmarmor von hoher Qualität ziert die Wände. Er ist das Werk des renommierten Stuckmarmoristen Andreas Bentele aus Lindau.
Hervorragend sind auch die Stuckarbeiten an der Decke. Neben allegorischen Figuren werden die Klöster St.Gallen und Neu St.Johann, das zur Fürstabtei St.Gallen gehörte, um das Jahr 1750 dargestellt. Der Blick an die Decke mahnte den Fürstabt an eine mit Klugheit und Gerechtigkeit zu führende weltliche Herrschaft über die verschiedenen Stände im Gebiet zwischen dem oberen Toggenburg und dem Kloster in der Stadt St.Gallen. In der Mitte der Decke prangte das hochfürstliche Wappen. Nach dem Übergang des Gebäudes an den Kanton wurde das Hoheitszeichen durch das kantonale Rutenbünden ersetzt. In den vier Ecken des Tafelzimmers sind an der Decke die vier Jahreszeiten zu sehen.
Nutzung früher und heute
Das Tafelzimmer war der offizielle Speisesaal des Fürstabts und bot für maximal 40 Personen Platz.
Im Tafelzimmer nahm der Fürstabt täglich sein Mittagessen ein, und zwar immer in Gesellschaft. Durchschnittlich sassen 22 Personen/Tag mit dem Fürstabt am Tisch. Ein Teil dieser Personen gehörten zur fixen "Mittagsrunde", z.B. der Pater Statthalter. Für die hohen weltlichen Beamten war der Platz an der Tafel in ihrem Arbeitsvertrag festgeschrieben und Teil ihres Lohnes. Am täglichen Mittagsmahl des Fürstabts nahmen häufig Gäste teil. Dazu zählten z.B. Oberbeamte aus der Staatsverwaltung wie der Vogt von Rorschach. Weiter waren Vertreter der verbündeten eidgenössischen Orte an der Tafel des Abtes anzutreffen. Ein weiterer Kreis waren auswärtige Bischöfe und ausländische Diplomaten.
Das Mittagessen im Tafelzimmer war eine offizielle Veranstaltung, die täglich stattfinden musste, selbst wenn der Abt abwesend war. Er wurde dann vom Pater Statthalter oder – sofern dieser ebenfalls ausser Haus weilte – vom Pater Küchenmeister vertreten. Die Patres wurden von gewissen geistlichen Pflichten dispensiert, da die Einhaltung der Benediktinerregeln und der weltlichen Pflichten nicht gleichzeitig möglich war.
Gelegentlich hielt der Fürstabt das Mittagessen in Sinne eines Festmahls ab (dies konnte auch am Abend stattfinden). Beispielsweise luden sich der Abt und die Stadtoberen des Stadtstaats St.Gallen immer wieder zu Festmählern ein, wobei beide Parteien jeweils versuchten, die andere punkto Aufwand zu überbieten.
Die Mahlzeiten boten für den Abt und die Gäste Gelegenheit des informellen Informationsaustausches. Hier trafen sich für die Fürstabtei wichtige Leute, um sich in zwanglosem Rahmen über die verschiedensten Themen auszutauschen. Die Bedeutung des Tafelzimmers geht also über jene des Speisesaals hinaus.
Das Tafelzimmer war auch ein Sitzungs- und Konferenzzimmer. Im Tafelzimmer fanden z.B. die Sitzungen des äbtischen Geheimrates oder Konferenzen mit der Stadt St.Gallen statt
Der Raum 200, wie das Tafelzimmer verwaltungstechnisch nüchtern auch bezeichnet wird, kann grundsätzlich von der ganzen Verwaltung für Sitzungen und Besprechungen genutzt werden. Im Vordergrund steht aber die Nutzung durch das Parlament und die Regierung. Es finden vor allem die Sitzungen von vorberatenden Kommissionen des Kantonsrates im Tafelzimmer statt. Es hat eine für die ordentliche Kommissionsgrösse ideale Dimension. An den Dienstagen ist zudem die Regierung regelmässig Gastgeberin im Tafelzimmer für inhaltliche Workshops sowie für Treffen mit unterschiedlichen kantonalen, interkantonalen und internationalen Gremien. Der Raum hat demnach seine ursprüngliche Bestimmung als Ort für behördliche Veranstaltungen und formale Treffen bewahrt. Zudem werden hier auch heute noch hochrangige Gäste empfangen.
24. August. Samstag. Alle gingen nach St.Gallen, um vom Fürstabt Abschied zu nehmen, und speisten dort. […] Ich muss gestehen, mich hat es nicht so amüsiert, denn das Essen dauerte mindestens drei Stunden, und ich wurde die ganze Zeit gelangweilt von dem Geck Chevalier Müller. [...] Trotzdem heisst es, es habe nie ein angenehmeres und fröhlicheres Essen am Hof dieses ‹Grossfürsten› gegeben, weil er selber vergnügt und zufrieden war und tatsächlich jedem eine Menge guten Weines von jeder Sorte gab.