Jenische und Sinti sind in der Schweiz eine anerkannte Minderheit. Die nomadische Lebensweise ist ein wesentliches Element ihrer kulturellen Identität. Der akute Mangel an Haltemöglichkeiten in der Schweiz bedroht die nomadische Lebensweise und damit ihre Kultur.
Hintergrundinformationen zu den Fahrenden in der Schweiz finden Sie auf der Webseite des Bundesamts für Kultur, das sich für die Verbesserung der Lebenssituation der Fahrenden einsetzt.
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil (1A.205/2002) das Recht der Fahrenden auf angemessene Haltemöglichkeiten anerkannt. So sind Zonen und Standorte vorzusehen, die Jenischen und Sinti eine ihren Traditionen entsprechende Lebensweise ermöglichen.
Auch der Kanton St.Gallen bemüht sich seit vielen Jahren, genügend Durchgangs- und Standplätze anzubieten. Ein Standplatz ist eine Anlage, die während der Wintermonate ständig benutzt wird, ein Durchgangsplatz ein Standort für den kurzfristigen Aufenthalt während der Reisezeit von Frühling bis Herbst.
Für seit Jahren fest im Kanton St.Gallen wohnende Jenische und Sinti konnten dauerhafte Standplätze gefunden werden. Dagegen decken die bestehenden Durchgangsplätze im Kanton St.Gallen den Bedarf bei weitem nicht ab. So sind viele Jenische und Sinti gezwungen, auf ungeeignete Standorte auszuweichen, was zu Konflikten mit den Behörden und der sesshaften Bevölkerung führt.
St.Gallen strebt auf seinem Kantonsgebiet die Errichtung von sechs neuen Durchgangsplätzen für Fahrende an. Die Regierung hat im Mai 2006 ein entsprechendes Konzept des Bau- und Umweltdepartements verabschiedet.
Mit der Richtplananpassung 2008 wurden die ersten geplanten Durchgangsplätze in Thal und Gossau im Richtplan bezeichnet. Die nötige Umzonung wurde in Thal im Mai 2014 vom Stimmvolk jedoch abgelehnt und in Gossau hat sich das Stadtparlament im September 2015 gegen die Umzonung ausgesprochen. Der Bedarf nach Plätzen ist jedoch im ganzen Kanton nach wie vor vorhanden.
Das Richtplan-Koordinationsblatt S43 Durchgangs- und Standplätze für Fahrende finden sie hier:
Der Kanton St.Gallen möchte mit einer guten Gestaltung der geplanten Durchgangsplätze zur Akzeptanz in der Bevölkerung beitragen. Aus diesem Anlass hat das Hochbauamt sechs lokale Architekturbüros zu einem anonymen Studienauftrag eingeladen. Das Gewinnerprojekt des Büro göldi+eggenberger ag aus Altstätten zeichnet sich durch eine funktionale Modulbauweise mit ästhetisch einladenden Baukörpern aus.
Nachdem die öffentliche Hand nach jahrelangen Bemühungen bis heute nicht genügend Stand- und Durchgangsplätze zur Verfügung stellen kann, um die Bedürfnisse der Fahrenden vollumfänglich zu befriedigen, weichen diese gerne auf andere Plätze aus. Möglichkeiten dazu bieten sich insbesondere auf Privatgrundstücken. Somit kommt es vor, dass immer wieder auch Landwirte von Fahrenden angefragt werden, ob ein Grundstück vorübergehend als Durchgangsplatz benützt werden kann.
Solche vorübergehenden Nutzungen werden als Spontanhalte (auch spontaner Halt) bezeichnet. Beim Spontanhalt, der als ursprüngliche, traditionelle Form der fahrenden Lebensweise gilt, handelt sich es sich um einen kurzfristig vereinbarten Aufenthalt von Fahrenden bei Privatpersonen gegen Entgelt als Entschädigung für Umtriebe wie Stromkosten etc. auf einem Grundstück, das sonst anderweitig genutzt wird. Eine dauernde Infrastruktur ist dabei nicht notwendig. Es geht also nicht um eine Form des Campings, des Agrotourismus oder der Beherbergung von Freizeitsuchenden.
Ein Merkblatt für die Vermietung von Plätzen für Fahrende (inkl. Vertrag für die Vermietung) des St.Galler Bauernverbandes und des Amtes für Umwelt (AfU) enthält weitere Details.
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Alex Biber
Dipl.Natw. ETH, Raumplaner NDS/ETH
Siedlungsplanung
Amt für Raumentwicklung und Geoinformation
Lämmlisbrunnenstrasse 54
9001 St.Gallen