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Eindrückliche Bauten junger Zimmerleute

Zimmerleute der drei Abschlussklassen am BWZ Toggenburg präsentieren kurz vor dem Lehrabschluss ihr Können in einer Ausstellung.

Wer Mitte März vom Bahnhof Wattwil aus zum gegenüberliegenden Schulhaus des Berufs- und Weiterbildungszentrums Toggenburg blickt, muss nicht lange rätseln, was hier unter anderem unterrichtet wird. 18 stattliche Kleinbauten aus Holz zeugen vom Know-how, das sich angehende Zimmerleute während ihrer Ausbildung angeeignet haben.

Zimmerleute werden auch anderswo in der Schweiz ausgebildet, aber die jährliche Modellausstellung mit den zahlreichen Bauten im Massstab 1:1 ist einmalig: «Eine solche Ausstellung findet man sonst nirgends in der Schweiz», sagt Sepp Fust, Fachgruppenleiter Zimmerleute und Mitglied der Schulleitung des BWZ Toggenburg.

Überall in der Schweiz zeigen Zimmerleute am Ende ihrer Ausbildung ihr Können beim Bau von massstäblich verkleinerten Modellen. Das steht auch den angehenden Berufsleuten in Wattwil offen. «Wir sind aber die einzige Schule in der Schweiz, die es den angehenden Zimmerleuten ermöglicht, auch Grossmodelle herzustellen», erklärt Sepp Fust. Das hat auch einen praktischen Hintergrund: Die jungen Männer und die sehr seltenen jungen Frauen, die sich in Wattwil in diesem Metier ausbilden lassen, stammen überwiegend aus dem ländlichen Raum, wo es nicht an konkreten Verwendungszwecken für kleine Nutzbauten mangelt.

Mehrheit wählt Gross-Modell

Mehr als zwei Drittel der Absolventen des vierten Lehrjahrs wählt für die Abschluss-Arbeit ein Grossmodell. 18 dieser stattlichen kleinen Bauwerke standen während der Ausstellung der Lehrabschluss-Modellarbeiten als eindrücklicher Blickfang vor dem BWZ-Schulhaus. Nur schon die gestaffelte Anlieferung und das Aufstellen der Kleinbauten mit Hilfe eines Lastwagenkrans ist eine logistische Herausforderung.

Weitere 21 Grossmodelle konnten dieses Jahr nicht angeliefert werden, unter anderem, weil sie bereits ortsgebunden aufgebaut wurden. Die Baumeister dieser Kleinbauten müssen in diesem Fall eine Dokumentation ihres Werks erstellen, die in der Aula des BWZ Toggenburg präsentiert wird, zusammen mit 17 Kleinmodellen, die dort ausgestellt werden.

Als zuständiger Lehrbeauftragter durfte Daniel Brändle dieses Jahr 56 Projektarbeiten von drei Abschlussklassen betreuen, was ganz schön aufwändig sein kann, denn die bereits irgendwo aufgebauten Kleinbauten bewertet der Fachlehrer bei einem Besuch vor Ort. Dafür kann auch schon mal ein Abstecher auf eine Alp im Glarnerland nötig werden.

Der grosse Aufwand für die Schule zahlt sich indessen aus, sind Daniel Brändle und Sepp Fust überzeugt, auch, weil diese Ausstellung im öffentlichen Raum beste Werbung für den Berufsnachwuchs macht. Diejenigen, die diesen Weg schon eingeschlagen haben, die Lernenden der unteren Klassen, schauen sich die Ausstellung natürlich ganz genau an und lassen sich inspirieren – so fängt schon im ersten Lehrjahr im Hinterkopf die Projektarbeit am Lehrabschlussmodell an.

Wenn die Arbeiten vor dem BWZ aufgestellt sind, wird die Ausstellung speziell von erfahrenen Zimmerleuten, die den Beruf noch vorwiegend handwerklich erlernt haben, mit Argus-Augen begutachtet – man will ja wissen, was der Nachwuchs so drauf hat.

Handarbeit statt Maschine

Didaktisch ist die Projektarbeit ebenfalls wertvoll: Für viele Lernende ist es nämlich das erste Mal, dass sie von Hand die Hölzer bearbeiten konnten, die Hölzer abbinden, wie es die Fachleute nennen. In den Betrieben wird das heute längst nicht mehr gemacht, das Holz wird heute auf automatisierten Abbund-Strassen zugeschnitten. «Das ist auch ein Grund, warum unter den Lernenden die Nachfrage nach Grossmodellen so hoch ist», weiss Sepp Fust. Die Lernenden können sich so in Fähigkeiten üben, die an der Lehrabschlussprüfung auch gefordert werden.

Auch die Lehrbetriebe möchten, dass das BWZ Toggenburg an den Gross-Modellen festhält, denn die handwerkliche Arbeit fördert das Verständnis für die heutigen modernen Maschinen. Zeitgemäss ist die Arbeit der Lernenden gleichwohl: Die meisten planen ihr Modell digital, schliesslich wurden sie am BWZ Toggenburg in 2D-CAD-Zeichnen und 3D-CAD-Zeichnen ausgebildet.

200 Stunden Aufwand

Einige noch nicht am Bestimmungsort aufgestellte Kleinbauten begutachtet der Fachlehrer im Lehrbetrieb, wo die angehenden Zimmerleute ihr Projekt vorantreiben. Bei solchen Besuchen kommt es stets zu wertvollen Gesprächen mit den Berufsbildnern und Ausbildungsverantwortlichen, wie Sepp Fust sagt: «Der Austausch mit den Lehrbetrieben wird durch so ein Projekt intensiviert.» Den Lehrkräften geben solche Besuche interessante Einblicke, «wir bekommen viele wertvolle Rückmeldungen.»

Gross ist der Aufwand auch für die jungen Zimmerleute. Weniger als 50 Stunden investiert keiner in sein Projekt, nicht selten werden aber bis zu 200 Stunden eingesetzt. «Grundsätzlich sind das Freizeitarbeiten», sagt Sepp Fust, oft könnten die Lernende im Betrieb Überstunden für diese Arbeiten kompensieren. Wie sehr sich im Einzelfall der ganze Lehrbetrieb beim Projekt ihres Auszubildenden engagiert, lässt sich nicht immer kontrollieren; die Rolle der Betriebe sei sehr unterschiedlich, weiss Sepp Fust, «wir können nicht sicherstellen, dass der Betrieb bei einem Projekt nicht mehr hilft als sinnvoll ist.» Deshalb fliesst die Bewertung der aufwendigen Projektarbeit nicht als Vornote ins Qualifikationsverfahren, den Lehrabschluss, ein, sondern wird «nur» als Semesternote im Zeugnis berücksichtigt.

Aus schulischer Sicht sei die Projektarbeit am eigenen Modell eine unheimliche Bereicherung, wie Sepp Fust betont. «Wir spielen hier den Ball in eine komplett andere Richtung als die Lernenden es sich vom Schulunterricht her gewohnt sind.» Normalerweise werde lehrgangsorientiert viel instruiert: «Wir sagen, wie wir etwas wollen.» Stets seien die Lernziele im Hinterkopf, die man erfüllen wolle, die Schule sei dabei der Taktgeber. «Der Lehrabschluss-Modellbau ist dem gewohnten Schulbetrieb diametral entgegengesetzt, das ist für die Lernenden eine riesige Herausforderung.» Denn nun müssten die angehenden Zimmerleute selber bestimmen, selber eine Idee entwickeln und umsetzen, selber ein Zeitmanagement haben. Das sei eine grosse Herausforderung, konfrontiere die Lernenden aber mit einer Eigenschaft, die sie bald im Berufsleben haben müssen: Die Fähigkeit, eine Arbeit pünktlich und qualitativ hochwertig abzuliefern.

Nochmals weiter entwickeln

Ziel der Projektarbeit ist auch die Vertiefung des bisher Gelernten im Hinblick auf das Qualifikationsverfahren, also die Lehrabschlussprüfung. «Das ist ein guter Zeitpunkt, um zu sehen, dass vielleicht noch nicht alles funktioniert», sagt Sepp Fust. Ein Lernender habe dann noch zwei Monate Zeit bis zur Prüfung und könne sich noch den Feinschliff geben, könne sich noch einen Schritt weiterentwickeln. Ein schwächerer Lehrling könne auch noch einmal Selbstbewusstsein tanken und merken, dass es sich lohnt, dran zu bleiben.

Ganz bewusst wurde bei der Bewertung der Lehrabschlussarbeiten von einem Wettbewerbssystem abgesehen. «Sonst gehen die Guten ab und die Hinteren hängen ab», erklärt Sepp Fust. Deshalb entstanden Bewertungskriterien, die auf den ersten Blick etwas eigenwillig wirken. Erstes Kriterium ist nämlich eine leistungsgerechte Modellwahl. Ein Lehrling muss sein Leistungsvermögen selbst einschätzen können und sich eine nicht zu einfache, aber auch nicht zu anspruchsvolle Aufgabe setzen.

«Es darf nicht sein, dass der schwächste Lernende eine ‹verrückte› Arbeit bringt, die er nicht schaffen wird» betont Sepp Fust. «Umgekehrt akzeptieren wir auch nicht, dass der stärkste Lernende sich eine ‹billige› Arbeit aussucht.» Als zweites Kriterium wird die fachliche Kompetenz und die richtige Verarbeitung bewertet, beim dritten Kriterium geht es schliesslich um die Kreativität.

Die Palette der verschiedenen Objekte ist gross und bunt. Was die Grösse der Kleinbauten angeht, gibt es aber gewisse Beschränkungen, «weil wir nicht in Konkurrenz zu betrieblichen Bauten stehen wollen», wie Sepp Fust festhält. Die Grundfläche eines Kleingebäudes ist auf 20 Quadratmeter begrenzt. Ebenso ist der Holzverbrauch limitiert, «es geht nicht darum, dass die Lernenden Akkordarbeit leisten, sondern dass sie gewisse Schwierigkeiten meistern.» Flexibel zeigt sich die Schule dann, wenn ein Betrieb ein passendes, spannendes Projekt als Kundenauftrag hat, das aber gegen eine der Vorgaben verstossen würde. Dann kann der Betrieb ein Gesuch einreichen, um auf diese oder jene Einschränkung zu verzichten.

Von Kleintierställen bis zu Brücken

Projektiert und umgesetzt werden von den jungen Zimmerleuten Kleinbauten wie Gartensitzplätze mit Windschutz und Überdachung, fahrbare oder stationäre Bienenhäuser, Hühnerhäuschen, Spieltürme (die natürlich den Sicherheitsnormen entsprechen müssen), überdachte Hof-Tafeln oder Kleintierställe in allen Variationen. «Dieses Jahr haben wir sogar eine gedeckte Brücke in der Ausstellung», sagt Daniel Brändle. Die meisten Kleinbauten sind zum Zeitpunkt der Ausstellung noch weitgehend unverkleidet, damit die Konstruktion sichtbar bleibt.

Bei den verkleinerten Modellen in der Ausstellung in der Aula sind einige Variationen von Dachstühlen zu sehen, ebenso ein weiterer Klassiker der Zimmermannskunst: Eine handwerklich anspruchsvolle Treppe. Neben den Modellen sind diejenigen Grossmodelle, die nicht vor dem Schulhaus stehen, dokumentiert; oft zeigen die Lernenden ihre Arbeit mit Fotobüchern oder Slide-Shows auf kleinen Bildschirmen. Hervorgehoben werden dann Besonderheiten des jeweiligen Baus, insbesondere auch traditionelle Verbindungen und Verzierungen – schliesslich wollen die jungen Baumeister mit den Details und der Verarbeitung andere Fachleute beeindrucken.

Beim für sie wichtigsten Fachmann ist das gelungen. «Ich habe wirklich Freude an den ausgestellten Arbeiten und bin sehr stolz auf meine Jungs», sagt Daniel Brändle, der die drei Abschlussklassen fachtechnisch betreut. Alle Lernenden haben pro Woche fünf Lektionen Berufskunde bei ihm, dazu gehören unter anderem Fachrechnen, Zeichnen, theoretische Grundlagen, Werkstoffkunde, Konstruktionslehre, Bauphysik oder Brandschutz. Daneben haben die Lernende noch drei Lektionen Allgemeinbildung und eine Lektion Sport an ihrem Schultag. Den Rest der Ausbildung absolvieren sie im jeweiligen Lehrbetrieb sowie in überbetrieblichen Kursen, die vom Berufsverband verantwortet werden. (pla.)

 

Bilder: Benjamin Manser

 

 

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