Die Wasserqualität der grossen Flüsse und Seen hat sich in St.Gallen in den letzten Jahrzehnten weiter verbessert. Mikroverunreinigungen aus Haushalt, Industrie und Landwirtschaft stellen aber nach wie vor grosse Herausforderungen für den Gewässerschutz dar. Die Wiederherstellung einer natürlichen Gewässerstruktur und dass unsere Flüsse und Seen für den Klimawandel fit sind, ist uns ein Anliegen.
Was sind organische Spurenstoffe?
Mikroverunreinigungen sind organische Spurenstoffe, die in sehr tiefen Konzentrationen in Gewässern vorkommen. Bereits kleinste Mengen können auf Wasserlebewesen schädlich wirken. Im Trinkwasser sind sie ohnehin unerwünscht.
In der Schweiz sind über 30'000 solcher Stoffe in unzähligen Produkten im täglichen Gebrauch. Zu diesen Stoffen gehören Rückstände von Medikamenten, Inhaltsstoffe von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, Körperpflegeprodukten oder Industriechemikalien, Materialschutzmittel und Pestizide gegen unerwünschte Pflanzen, Insekten oder Pilze.
Wie gelangen sie ins Gewässer?
Viele Mikroverunreinigungen gelangen mit dem Abwasser aus privaten Haushalten und der Industrie zur ARA und werden dort schlecht oder gar nicht abgebaut oder zurückgehalten. Daher sind vor allem Flüsse und Bäche mit einem hohen Anteil an gereinigtem Abwasser mit organischen Spurenstoffen belastet. Wirkstoffe in Medikamenten werden mit dem Urin wieder ausgeschieden und gelangen zum überwiegenden Teil nicht etwa aus den Spitälern, sondern aus den privaten Haushalten ins Abwasser.
Im Obst- oder Ackerbau eingesetzte Pestizide können durch Abdrift oder bei Regenwetter durch Abschwemmung ins Gewässer gelangen. Vor allem die unsachgemässe Handhabung von Spritzmitteln kann problematisch sein.
Wie stark sind die St.Galler Gewässer belastet?
Seit 2002 hat das AWE zahlreiche Messkampagnen zu organischen Spurenstoffen in Fliessgewässern und in den ARA-Abläufen durchgeführt. Seit 2016 erfolgen zusätzlich regelmässige Messungen an Fliessgewässern. In allen Proben konnten Wirkstoffe nachgewiesen werden, in einigen davon lagen die Konzentrationen im kritischen Bereich.
Reduktion durch zusätzliche Reinigungsstufen auf ausgewählten ARA
Der Bund will die Menge an organischen Spurenstoffen in den Gewässer verringern. Dazu werden zahlreiche ARA mit zusätzlichen Behandlungsstufen ausgerüstet. Erweitert werden sollen die grossen ARA mit mehr als 80'000 angeschlossenen Einwohnern, die ARA im Einzugsgebiet von Seen mit mehr als 24'000 angeschlossenen Einwohnern und die ARA an Gewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10 Prozent. In der Schweiz sind rund 100 bis 120 ARA betroffen, im Kanton St.Gallen voraussichtlich etwa zehn.
Reduktion durch Massnahmen bei der Landwirtschaft
Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft soll mit dem Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmittel (AP PSM) reduziert werden. Untersuchungen zeigen aber, dass selbst bei einem Verbot von belastenden Stoffen diese erst nach und nach aus der Umwelt verschwinden. Die Wirksamkeit des Aktionsplans wird anhand eines national koordinierten Messprogramms überwacht.
Kleine Fliessgewässer machen mit rund 75 Prozent oder über 53'000 Kilometern Fliessgewässerstrecke den grössten Teil des Schweizer Gewässernetzes aus. Diese kleinen Bäche spielen aber nicht nur streckenmässig eine grosse Rolle, sondern erfüllen auch grundlegende ökologische Funktionen wie etwa als Rückzugs- und Wiederbesiedlungsgebiet nach einem Hochwasser oder einer Gewässerverschmutzung.
Kleine Fliessgewässer unter Druck
Ab 2011 rückten diese kleinen Fliessgewässer stärker in den Fokus des St.Galler Gewässerschutzes und sind nun ein fester Teil unseres Monitorings. Genauer unter die Lupe genommen werden vor allem jene Bäche, bei denen ein Verdacht auf Belastung besteht – wie etwa durch starken Nutzungsdruck durch Landwirtschaft, Siedlung oder Verkehr im Einzugsgebiet. Aufgrund der geringen Verdünnung können hier Einträge von Schadstoffen bereits in kleinen Mengen grossen Schaden anrichten.
Viele der bis anhin untersuchten Bäche zeigten Defizite und erfüllten die Anforderungen der Gewässerschutzverordnung nicht.
Ursachen für Defizite
Die Belastungsursachen sind sehr vielfältig. Häufig sind die Gründe für den schlechten Zustand im Bereich von Siedlungen (Fehleinleitungen, Abwasser), landwirtschaftlich intensiv genutzter Flächen (Pestizide, Gülle) oder Industrie- und Verkehrsflächen zu finden. Nicht nur dass die möglichen Belastungen der Gewässer mannigfaltig sind, es ist auch oft mehr als eine Ursache verantwortlich für den schlechten Zustand.
Über die Kantonsgrenzen
In einer bundesweiten Studie aus dem Jahr 2015 erfüllten 50 Prozent der über 700 schweizweit vorliegenden Makrozoobenthos-Untersuchungen an kleinen Fliessgewässern die Anforderungen der Gewässerschutzverordnung nicht. In tieferen intensiv genutzten Regionen mit viel Siedlung, Landwirtschaft und Verkehr waren die grössten Defizite erkennbar. Betrachtet man hier nur die Proben bis 600 Meter Meereshöhe, waren beinahe 60 Prozent der untersuchten Gewässerstellen in einem ungenügenden Zustand. Aber auch bei den zufällig ausgewählten Bächen ohne bekannte oder vermutete Belastungen, die durch das Biodiversitätsmonitoring der Schweiz erfasst wurden, sind mehr als 40 Prozent der kleinen Gewässer in tiefen Lagen in einem schlechten Zustand.
Massnahmen
Es besteht Handlungsbedarf. Eine Sensibilisierung für die Bedeutung dieser Gewässer muss stattfinden. Ein Schritt soll mit dem Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmittel (AP PSM) gemacht werden, in dem die Risiken, die von den PSM ausgehen, halbiert und die Einträge in die Gewässer verringert werden. Da die Belastungsursachen aber vielfältig sind, betrifft dies auch die zu setzenden Massnahmen.
- Bäche mit Potenzial
- "Kleine Fliessgewässer unter Druck" Kanton St.Gallen, 2016
- "Biologischer Zustand kleiner Fliessgewässer" Aqua & Gas 2015
- "Hohe PSM-Belastung in Schweizer Bächen", Aqua & Gas 2018
- "Anhaltend hohe PSM-Belastung in Bächen" Aqua & Gas 2019
- "Ökotoxikologische Untersuchungen: Risiko von PSM bestätigt" Aqua & Gas 2019
- "Hohe Toxikologische Risiken in den Bächen" Aqua & Gas 2017.pdf
- "Pflanzenschutzmittel in St.Galler Gewässer"
In den vergangenen hundert Jahren wurden in der Schweiz tausende von Kilometern an Fluss- und Bachläufen verbaut, begradigt, eingeengt oder in Röhren unter den Boden gelegt – zum Schutz vor Überschwemmungen, zur Gewinnung von Land oder um eine rationellere Bewirtschaftung zu ermöglichen.
Die betroffenen Bäche und Flüsse wurden ihrer natürlichen Funktionen beraubt, sie dienen oft nur noch als Abflussrinnen. Besonders grosse Defizite bestehen im Kanton St.Gallen diesbezüglich in den Ebenen des Rheintals und der Linth.
In der Zwischenzeit hat sich die Philosophie geändert: Gewässer sollen wieder Lebensräume sein und mehr Raum erhalten, um auch erhöhte Abflussmengen zu puffern. Somit gehen Hochwasserschutz und Ökologie Hand in Hand.
Revitalisierungen: Eine Aufgabe für Jahrzehnte
Es gibt schon viele gute Beispiele, wo verbaute Gewässerabschnitte naturnah gestaltet oder sogenannt revitalisiert wurden. Den grössten Gewinn für die Natur bringen Revitalisierungen, wenn sie nach einem übergeordneten Konzept vorgenommen und aufeinander abgestimmt werden. Es wird aber noch eine Aufgabe für Jahrzehnte sein, die Defizite bei den Gewässerlebensräumen zu beheben. Dank dem Abschluss einer Programmvereinbarung «Renaturierungen» mit dem Bund kann der Kanton Projekte für Revitalisierungen mit Beiträgen bis zu 35 Prozent der Kosten unterstützen. Das seit dem 1.1.2010 gültige kantonale Wasserbaugesetz sieht neu ebenfalls Beiträge für Revitalisierungen vor.
Textalternative zum Bild: Niederwasser in Bächen und Flüssen Hitzesommer 2003 - neues Fenster
Auch unsere Gewässer bleiben nicht von den Auswirkungen des Klimawandels verschont. Die Wassertemperaturen steigen an, Wassermenge und -qualität ändern sich und mehr Extremereignisse kommen auf uns zu. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Ökologie.
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