Der Vollzug der Vorschriften im Bereich der Störfallvorsorge ist grundsätzlich Sache des Kantons. Aber auch den politischen Gemeinden obliegen hier gewisse Aufgaben; insbesondere haben sie bei der Richt- und Nutzungsplanung sowie im Baubewilligungsverfahren für die Koordination mit der Störfallvorsorge zu sorgen.
Rechtsgrundlagen
Aufgaben der Gemeinde
Problem
Mit der zunehmenden Siedlungsverdichtung in der Nähe von Störfallanlagen (z.B. Chemiebetrieben, Verkehrswegen oder Erdgasleitungen) steigt auch das Risiko, dass bei Störfällen mehr Menschen gefährdet werden.
Richtige Standortwahl
Ein wesentlicher Punkt bei der Störfallvorsorge ist die richtige Standortwahl für risikobelastete Betriebe. Mit einer überlegten Ausscheidung von Industrie- und Gewerbezonen in Bezug auf Wohngebiete, Verkehrswege und öffentliche Plätze, aber auch bezüglich Grundwassergebiete und Oberflächengewässer kann dieser Forderung am besten nachgekommen werden.
Koordinationspflicht
Die Verantwortlichen in den politischen Gemeinden sollen bei entsprechenden Bau-/Planungsideen oder -vorhaben frühzeitig erkennen, wo sich ungünstige Nachbarschaften, d.h. solche mit erheblicher Erhöhung des Risikos, ergeben könnten. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch Art. 11a Abs. 1 der eidgenössischen Störfallverordnung. Dieser sieht vor, dass die Koordination mit der Störfallvorsorge sowohl in der Richt- und Nutzungsplanung als auch im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen ist.
In solchen Fällen sind frühzeitig genauere Abklärungen über die konkrete Risikolage bzw. –beeinflussung zusammen mit dem Amt für Umwelt, Fachstelle Störfallvorsorge, vorzunehmen.
Risikokataster Industrie, Gewerbe, Transport im Geoportal
Ein Instrument, welches die Gemeinden bei dieser Koordinationspflicht unterstützen kann, ist der Risikokataster Industrie, Gewerbe, Transport (RK IGT) im Geoportal. Dieser Risikokataster bildet die Standorte bzw. Verläufe der einzelnen Risikoträger (d.h. industrielle oder gewerbliche Betriebe, Bahnlinien, Strassen sowie Hochdruck-Erdgasleitungen, die der StFV unterstehen) ab. In Abhängigkeit vom aktuellen chemisch-technischen Gefahrenpotential sind diese Risikoträger mit einem mehr oder weniger breiten angrenzenden Bereich, dem sogenannten „Konsultationsbereich“ umrandet.
Die Konsultationsbereiche dienen der Information der Öffentlichkeit und sind von den Verantwortlichen für die Raumplanung und die Baubewilligungsverfahren in den politischen Gemeinden und beim Kanton zu beachten.
Anspruch auf rechtliches Gehör
Bei einem Baugesuch treffen die Interessen der Oeffentlichkeit nach umfassender Information und Einsprachemöglichkeit, der Behörden nach ausreichender Zeit zur genauen Prüfung und Beurteilung und die Interessen des Bauherrn nach rascher Erteilung der Baubewilligung und Schutz seiner Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse aufeinander. Auch beim Bau von Anlagen, die der Störfallverordnung unterstellt sind, gilt es, diese sich zum Teil widersprechenden Interessen soweit als möglich zu berücksichtigen und abzuwägen. Dabei stellt sich vor allem auch die Frage, wie störfallrelevante Dokumente (Kurzbericht oder Risikoermittlung) zu behandeln sind, um den Anspruch auf rechtliches Gehör, den die vom Bauvorhaben Betroffenen haben, nicht zu verletzen.
Baubewilligungsverfahren
Eine weitgehende Berücksichtigung der vorerwähnten verschiedenen Interessen ist nur im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens möglich. Dabei ist der Vollzug des zweistufigen Verfahrens der StFV (Kurzbericht, Risikoermittlung) so in das Baubewilligungsverfahren einzubetten, dass bei der öffentlichen Auflage des Baugesuches den Betroffenen klare und aussagekräftige Informationen zur Verfügung stehen; der Oeffentlichkeit bezüglich zu erwartender Auswirkungen, der Bauherrschaft bezüglich auf sie zukommender Massnahmen.
Bei der Publikation des Baugesuches ist ausdrücklich auf das Vorliegen eines Kurzberichtes oder einer Risikoermittlung hinzuweisen.
Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnis
Zu beachten ist schliesslich auch, dass der Ersteller eines Kurzberichtes oder einer Risikoermittlung auf die öffentliche Auflage der störfallrelevanten Dokumente aufmerksam zu machen ist. Er soll auch die Möglichkeit haben, einzelne Passagen sperren zu lassen, wenn bspw. ein Geschäfts -oder Fabrikationsgeheimnis vorliegt (vgl. auch URP 1995, S. 61 f.).
Bauliche Änderungen in Risikobetrieben
Bei Baugesuchen von Betrieben, die im Geltungsbereich der Störfallverordnung liegen oder aufgrund von Art. 10 USG Risikoabklärungen durchzuführen hatten, muss bei risikorelevanten Bauvorhaben immer auch der Kurzbericht bzw. die Risikoermittlung an die neue Situation angepasst und dem Baugesuch beigelegt werden.
Nutzungsänderungen von Industriegebäuden
Die Umnutzung eines Industriegebäudes kann zu einer vollständig neuen Risikosituation führen. Es ist daher sinnvoll, dass die Gemeinde solche Änderungen dem AFU mitteilt, und zwar auch dann, wenn keine baulichen Veränderungen geplant sind.
Tabelle: JuMi 2013 / III Nr. 2
Noch offene Fragen?
Martin Anderegg
Abteilungsleiter
Amt für Umwelt AFU
Abteilung Recht und UVP
Lämmlisbrunnenstrasse 54
9001 St.Gallen