Wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, und ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert, kann das Gericht eine Massnahme anordnen.
Das StGB kennt für straffällig gewordene Erwachsene folgende Massnahmen:
- Behandlung von psychischen Störungen
- Suchtbehandlung
- Massnahmen für junge Erwachsene
- Ambulante Behandlung
- Verwahrung
Der Richter kann eine stationäre therapeutische Massnahme und eine Verwahrung unter bestimmten Umständen auch nachträglich anordnen, wenn sich vor oder während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe zeigt, dass die Voraussetzungen für eine solche Massnahme gegeben sind.
Die Anordnung einer stationären Behandlung von psychischen Störungen nach Art. 59 StGB setzt voraus, dass
- der Täter psychisch schwer gestört ist, also an einer psychischen Krankheit oder einer schweren Persönlichkeitsstörung leidet,
- er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit dieser Störung zusammenhängt und
- die Aussicht besteht, durch die Behandlung lasse sich die Gefahr neuer Straftaten verhindern.
Stationäre Behandlungen von psychischen Störungen werden in geeigneten Kliniken, Massnahmenvollzugseinrichtungen oder – bei einem entsprechenden therapeutischen Angebot – in Justizvollzugsanstalten vollzogen. Ziel der Behandlung ist nicht eine Heilung der verurteilten Person, sondern in erster Linie die Verminderung des Rückfallrisikos durch geeignete therapeutische Interventionen. Die Massnahme dauert vorerst fünf Jahre. Das Gericht kann die Massnahme aber auf Antrag der Vollzugsbehörde jeweils um höchstens fünf Jahre verlängern, sooft und solange sie notwendig und geeignet ist, weitere Verbrechen und Vergehen zu verhindern. Die Vollzugsbehörde hat jährlich zu prüfen, ob die verurteilte Person bedingt zu entlassen oder die Massnahme aufzuheben ist. Scheitert die stationäre Behandlung, kann durch das Gericht der Vollzug der Strafe, eine andere Massnahme oder unter Umständen die Verwahrung angeordnet werden.
Die Anordnung einer Suchtbehandlung nach Art. 60 StGB setzt voraus, dass
- der Täter von Suchtstoffen (z.B. Alkohol oder Drogen) oder in anderer Weise (z.B. Spielsucht) abhängig ist,
- er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit dieser Abhängigkeit zusammenhängt und
- die Aussicht besteht, durch die Behandlung lasse sich die Gefahr neuer Straftaten verhindern.
Stationäre Suchtbehandlungen werden in spezialisierten Einrichtungen oder in einer psychiatrischen Klinik vollzogen. Ziel der Behandlung ist in erster Linie die Verminderung des Rückfallrisikos durch geeignete therapeutische Interventionen. Die Massnahme dauert längstens drei Jahre. Der Richter kann die Massnahme auf Antrag der Vollzugsbehörde einmal um höchstens ein Jahr auf insgesamt maximal vier Jahre verlängern. Es ist jährlich zu prüfen, ob die Massnahme aufzuheben oder weiterzuführen ist.
Die Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB setzt voraus, dass
- der Täter zum Zeitpunkt der Tat zwischen 18 und 25 Jahre alt ist,
- er in seiner Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört ist,
- er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit dieser Störung zusammenhängt und
- die Aussicht besteht, durch die Massnahme lasse sich die Gefahr neuer Straftaten verhindern
Die Massnahmen für junge Erwachsene müssen in speziellen Massnahmenvollzugseinrichtungen getrennt von den übrigen Anstalten und Einrichtungen durchgeführt werden. Ziel der Massnahme ist in erster Linie die Verminderung des Rückfallrisikos durch sozialpädagogische und therapeutische Hilfe sowie die Förderung der beruflichen Fähigkeiten durch Aus- und Weiterbildung. Die Massnahme dauert längstens vier Jahre und wird jährlich überprüft. Sie muss in jedem Fall aufgehoben werden, wenn der Täter das 30. Altersjahr vollendet hat.
Die Anordnung einer ambulanten Behandlung nach Art. 63 StGB setzt voraus, dass
- der Täter psychisch schwer gestört oder abhängig ist,
- er eine Straftat begangen hat, die im Zusammenhang mit diesem Zustand steht und
- die Behandlung geeignet ist, weitere Straftaten zu verhindern.
Die ambulante Behandlung kann unter Aufschub des Vollzugs der zugleich ausgesprochenen Freiheitsstrafe, vollzugsbegleitend oder nach dem Strafvollzug durchgeführt werden. Die Vollzugsbehörde kann zur Einleitung der ambulanten Behandlung den Täter für längstens zwei Monate in eine stationäre Behandlung, z.B. in eine Klinik, einweisen. Die Massnahme dauert längstens fünf Jahre und wird jährlich überprüft. Im Fall von psychischen Störungen kann der Richter die Behandlung auf Antrag der Vollzugsbehörde so oft um ein bis fünf Jahre verlängern, als dies zur Verhinderung neuer Straftaten notwendig erscheint. Scheitert die ambulante Massnahme, kann durch das Gericht der Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafe oder eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet werden.
Das Gericht ordnet die (ordentliche) Verwahrung nach Art. 64 StGB an, wenn
- der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von mindestens 5 Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte,
- aufgrund der Persönlichkeitsmerkmale des Täters und der Tatumstände sowie seiner gesamten Lebensumstände oder aufgrund einer anhaltenden oder langdauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere ernsthaft zu erwarten ist, dass er weitere schwere Straftaten der beschriebenen Art begeht und
- eine stationäre therapeutische Behandlung keinen Erfolg verspricht.
Vorerst wird die vom Gericht ausgesprochene Freiheitsstrafe grundsätzlich vollständig vollzogen. Wenn ausnahmsweise schon während des Vollzugs der Freiheitsstrafe aufgrund besonderer Umstände (erfolgreiche Therapie, Alter, schwere Erkrankung, Invalidität) zu erwarten ist, dass der Täter ungefährlich geworden ist und sich in Freiheit bewähren wird, kann das Gericht die bedingte Entlassung frühestens nach Verbüssung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe bewilligen. Nach der zeitlich befristeten Freiheitsstrafe wird die Verwahrung vollzogen, deren Dauer ungewiss ist. Sie muss erstmals zwei Jahre nach der Anordnung, danach jährlich durch die Vollzugsbehörden überprüft werden. Sie wird solange aufrechterhalten, als dies zum Schutz der Öffentlichkeit notwendig ist. Bei der Ausgestaltung des Vollzugs treten die Interessen des Täters und der Wiedereingliederungsauftrag gegenüber dem Schutz der öffentlichen Sicherheit in den Hintergrund.
Seit Umsetzung der Verwahrungsinitiative kann das Gericht eine lebenslängliche Verwahrung anordnen. Dies ist jedoch nur bei ganz bestimmten Verbrechen möglich (siehe Aufzählung in Art. 64 Abs. 1bis StGB). Zudem muss die verurteilte Person mit ihrer Tat eine Person besonders schwer in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität verletzt haben oder verletzt haben wollen. Die Rückfallgefahr muss von zwei unabhängigen Gutachtern als sehr hoch und eine Behandlung der verurteilten Person langfristig als nicht erfolgsversprechend eingestuft werden. Auch bei der lebenslänglichen Verwahrung wird vorerst die vom Gericht ausgesprochene Freiheitsstrafe vollzogen. Lebenslänglich verwahrten Straftätern dürfen keine Urlaube oder andere Vollzugsöffnungen gewährt werden. Ihre Entlassung darf nur geprüft werden, wenn aufgrund neuer, wissenschaftlicher Erkenntnisse die Heilbarkeit des Täters und damit seine künftige Ungefährlichkeit in Aussicht stehen.
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René Frei
lic.iur.
Leiter
Amt für Justizvollzug
Straf- und Massnahmenvollzug
Oberer Graben 38
9001 St. Gallen