Am Mittwoch (23.04.2025) fand in St.Gallen die zweite Fachtagung Bedrohungsmanagement zum Fokusthema häusliche Gewalt und Stalking statt. Auf Einladung der Kantonspolizei St.Gallen nahmen rund 250 Personen aus Polizei, Gemeinden, KESB, Justiz, Gesundheitswesen und weiteren Fachstellen teil. Die Veranstaltung bot praxisnahe Einblicke in die Früherkennung und Prävention schwerer Gewalt sowie Raum für den interdisziplinären Austausch.
Das Bedrohungsmanagement ist ein zentrales Instrument der Gewaltprävention. Es verfolgt das Ziel, bedrohliche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, realistisch einzuschätzen und geeignete Massnahmen zu ergreifen, bevor es zu Eskalationen kommt. Die St.Galler Fachtagung bietet eine Plattform für Fachpersonen, um Erkenntnisse aus der Praxis, neue rechtliche Rahmenbedingungen und erfolgreiche Kooperationsformen zu diskutieren. Der Anlass knüpfte an die erste Durchführung im Jahr 2023 an und setzte die fachliche Auseinandersetzung mit dem diesjährigen Fokusthema Häusliche Gewalt und Stalking fort.
Ein zentraler Themenschwerpunkt war die Möglichkeiten des Opferschutzes, welche von polizeilichen Anordnungen bis zu Electronic Monitoring führen. Die Kantonspolizei St.Gallen führt jährlich rund 1’600 Interventionen im häuslichen Bereich durch. Diese werden durch die Abteilung Bedrohungs- und Risikomanagement systematisch auf mögliche Eskalationsrisiken analysiert.
Regierungsrat Christof Hartmann, Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartements, verwies auf die strategische Bedeutung der gesetzlich abgestützten Gewaltprävention. Mit der per 1. Januar 2025 erfolgten Verankerung des Bedrohungsmanagements im Polizeigesetz sei ein klares Bekenntnis zum präventiven Gewaltschutz abgegeben worden. Der Kanton St.Gallen setze damit eine Entwicklung fort, die bereits 2003 mit dem Wegweisungsgesetz zur häuslichen Gewalt eingeleitet wurde (siehe Medienmitteilung von 2013 der Koordinationsstelle Häusliche Gewalt des Kantons St.Gallen).
Bedrohungsmanagement beruht auf einem strukturierten, mehrstufigen Verfahren: von der Erkennung auffälliger Verhaltensweisen über die Gefährdungseinschätzung bis hin zur Intervention. Dies gegebenenfalls auch unter Einbezug von Zwangsmassnahmen oder Schutzkonzepten. Entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei die enge Zusammenarbeit zwischen Polizei, Sozialdiensten, KESB, Justiz, Opferhilfestellen und dem Gesundheitswesen. Diese Kooperationen ermöglichen es, auch komplexe Fallkonstellationen wirksam anzugehen.
Polizeikommandantin Barbara Reifler liess es sich als neue Kommandantin nicht nehmen, die von der Kantonspolizei St.Gallen eingeladenen Gäste zu begrüssen. Gewalt in Ehe und Partnerschaft sei ein gesellschaftliches Thema, das Beachtung und Sichtbarkeit verdient habe. Die Kantonspolizei St.Gallen rücke rund 1’600-mal pro Jahr an solche Ereignisse aus, weil sie von Nachbarn, Betroffenen oder Unbeteiligten gerufen werde. Jedes zweite Tötungsdelikt in der Schweiz ginge auf den Partner, Ex-Partner oder Ehepartner zurück. Gewalt in Ehe und Partnerschaft dürfe nicht tabuisiert werden. Sie dankte allen Anwesenden für ihr grosses Engagement im Kampf gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft. Dieser Anlass sei auch deshalb wichtig, weil die Bekämpfung von häuslicher Gewalt nur gemeinsam erfolgreich sein könne. Sie betonte, dass es ihr ein wichtiges Anliegen als Polizeikommandantin sei, diesem Thema hohe Priorität einzuräumen.
Prof. Dr. Frank Urbaniok, forensischer Psychiater und langjähriger Leiter des Forensischen Dienstes des Kantons Zürich, ging in seinem Referat auf die Erscheinungsformen von Stalking sowie auf das Traumatisierungspotenzial und die Handlungsoptionen für Betroffene ein.
Die Fachtagung leistete einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der interinstitutionellen Zusammenarbeit und zum fachlichen Austausch in einem hochsensiblen Bereich. Sie zeigte auf, dass professionelles Bedrohungsmanagement fundiertes Wissen, klare Strukturen und verlässliche Netzwerke voraussetzt.