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Publiziert am 26.10.2022 09:47 im Bereich Kantonspolizei
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Immer wieder ereignen sich auf Autobahnen und Autostrassen Auffahrunfälle. Diese Unfälle und die damit verbundenen Verletzungen von Verkehrsteilnehmenden hätten in den meisten Fällen verhindert werden können – mit genügendem Sicherheitsabstand.

Reaktionszeit
Verkehrsteilnehmende haben eine schwierige Aufgabe zu meistern. Sie müssen rechtzeitig auf Gefahren im Strassenverkehr reagieren können. Damit diese rechtzeitige Reaktion überhaupt gelingt, müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Sehr wichtig ist dabei der richtige Sicherheitsabstand. Es dauert nämlich einige Zeit, bis das Gehirn eine Information verarbeitet hat und eine körperliche Reaktion ausführen kann. Stellt man zum Beispiel fest, dass das Auto vor einem bremst, fährt man noch viele Meter weiter, bis der Fuss auf dem Bremspedal ist und dieses gedrückt wird.

Welche gesetzlichen Bestimmungen gibt es?
Gemäss Art. 34 Abs. 4 Strassenverkehrsgesetz (SVG) ist gegenüber allen Strassenbenützerinnen und -benützern ausreichend Abstand zu wahren. Das gilt namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Neben- und Hintereinanderfahren. Nach Art. 12 Abs. 1 Verkehrsregelverordnung (VRV) haben Fahrzeugführerinnen und -führer beim Hintereinanderfahren einen ausreichenden Abstand zu wahren, sodass sie auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig anhalten können.

Was heisst das konkret?
Was unter ausreichendem Abstand im Sinne der erwähnten Artikel zu verstehen ist, hängt von den gesamten Umständen des jeweiligen Falls ab. Dazu gehören unter anderem die Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnisse sowie die Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge.

Faustregeln für den Minimalabstand
Die Rechtsprechung hat keine allgemeinen Grundsätze zur Frage entwickelt, bei welchem Abstand in jedem Fall, also auch bei günstigen Verhältnissen, eine einfache Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG anzunehmen ist. Im Sinne von Faustregeln wird für Personenwagen von folgenden Regeln ausgegangen:

  • «Halber Tacho» (im Verhältnis zwischen Personenwagen beträgt der Abstand mindestens halb so viele Meter wie die Geschwindigkeit in Kilometern). Dies bedeutet z. B., dass bei Tempo 120 km/h der Abstand mindestens 60 m sein muss. «Halber Tacho» entspricht einem Abstand von 1,8 Sekunden.
  • «Zwei-Sekunden-Regel»: Der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug sollte mindestens so gross sein wie die Strecke, welche während zwei Sekunden zurückgelegt wird. Das bedeutet: Sobald das vorausfahrende Fahrzeug einen bestimmten Punkt passiert, beginnt man zu zählen: 21, 22. Nach dem Zählen sollte das eigene Fahrzeug höchstens beim selben Punkt angelangt sein.

Für die Beurteilung, ob eine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG vorliegt, wird als Richtschnur manchmal die Regel «⅙-Tacho» bzw. ein Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug von 0,6 Sekunden oder weniger herangezogen. Bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h entspricht dies einem Abstand von ca. 20 Meter.

Ich will mehr über das Thema wissen
Teile dieses Kapo-Ratgeber stammen aus einem Ratgeber der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu). Dieser enthält auch Beispiele aus der Rechtspraxis und kann unter folgendem Link abgerufen werden: Reaktionszeit und Sicherheitsabstand im Verkehr | BFU]

Das Strassenverkehrsamt St.Gallen stellt auf seiner Website mehrere Berechnungstabellen für die Berechnung des Anhaltewegs, bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und ungenügendem Abstand zur Verfügung. Diese können unter folgendem Link aufgerufen werden: Hilfsmittel | sg.ch

[Quellen: Kantonspolizei St.Gallen und Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu); Reaktionszeit und Sicherheitsabstand im Verkehr | BFU]