Zur vierbeinigen Kantonsbevölkerung gehören auch rund 29'000 Hunde. Sie alle sind zusammen mit ihren Frauchen und Herrchen in der Datenbank AMICUS registriert. Dank dieser wissen wir, dass die Wuffis bei guter Erziehung auf Namen wie «Luna», «Kira» und «Nala» bzw. «Rocky», «Lucky» und «Max» hören – so die jeweils ersten drei Plätze der nationalen Namenshitparade. Wie aber haben die St.Galler Hunde geheissen, sagen wir mal, um 1900? Aufschluss dazu bietet der «St.Gallische Polizeianzeiger». Dieser erschien alle zwei Wochen in Form eines Heftchens und enthielt u.a. die Rubriken «Entlaufen oder entwendet» und «Zugelaufen».
Anfangs Oktober 1899 beispielsweise vermisste der Farbwarenhändler Gehring in Rorschach «1 pinscherartiges, kurzhaariges Schosshündchen, gelb- und weissgefleckt», welches auf den Ruf «Peterli» hörte. Die Meldung Nr. 2148 schloss mit der militärisch knappen Handlungsanweisung: «Anzeige ans Bezirksamt Rorschach». Im Februar 1900 konnte der Polizeianzeiger dann vermelden, dass «Peterli» von Maria Guth-Klingler entwendet worden war, einer herumziehenden Konzertsängerin aus Luxemburg. Ob «Peterli» gerne nach Rorschach zurückgekehrt ist, oder lieber weiter mit der 22-jährigen Musikerin auf Wanderschaft gegangen wäre, ist nicht überliefert.
Im gleichen Jahr kam zwischen Montlingen und Altstätten dem «Wirt Fellmann zum ‹Hirschen›» ein männlicher, mittelgrosser, weiss und brauner Jagdhund abhanden. Dieser hörte auf den Namen «Miro» und war – für einen Laufhund etwas überraschend – «ziemlich fett». Die ausgesetzte Belohnung für die «Beibringung des Tieres» betrug fünf Franken. Zum Vergleich: Der Wert von zwei gestohlenen Körben mit zusammen 17 Kilo Trauben wurde im selben Polizeianzeiger auf zehn Franken veranschlagt. Das Herumstreunen währte indes nicht lange: Schon zwei Wochen später war «Miro» zurück in der Beiz am Futternapf, wohl mit gesundem Appetit.
Noch eine ganze Reihe von Vierbeinern wurde im Laufe des Jahres vermisst: In Kirchberg ein weiterer Jagdhund namens «Waldi», der in Ragaz einen ebenfalls gesuchten Namensvetter hatte, ein Dackel. Einen «Bello» suchte man sowohl in Gaiserwald als auch in Bütschwil; das Schäferhund-Weibchen «Belli» derweil in Flums. Artentypische Namen lassen sich bislang noch nicht ausmachen, da die Hundenamenforschung noch in ihren Anfängen steckt. Die Namenstypologie dürfte sich aber wohl eher daran orientieren, ob der Hund auch über seinen Namen Respekt oder gar Furcht einflössen sollte. So hiess der vermisste Stadt-St.Galler «Rattenfänger» beispielsweise «Peter» (ohne -li!), und sein Artgenosse in Gossau «Schnauz». Auf den gleichen – hier etwas fantasielosen Namen – hörten auch zwei Schnauzer, während ihr Bulldoggenkollege «Box» gerufen wurde.
Die historische St.Galler Hundenamengebung war somit noch eher bodenständiger Natur. Um 1900 jedenfalls hiess das hiesige «englische Spitzerhündchen» noch «Biggolo» und nicht «Gucci». Und wär's ein Weibchen gewesen, auch nicht «Chanel» oder «Coco» (letzterer Hundename ist aktuell in den Stadt-Zürcher Top Ten). Denn Gabrielle Chasnel bzw. die spätere Coco Chanel war im Jahr 1900 zwar schon ein Teenager, aber noch nicht die berühmte und international bekannte Modedesignerin und Unternehmerin.
Marcel Müller, Staatsarchiv
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