Das Steueramt ist heute eine richtig grosse Nummer in der Kantonsverwaltung. Mit seinen gegen 200 Mitarbeitenden trägt es fast 50% zu den jährlichen Einnahmen des Kantons bei und schafft damit eine wesentliche Grundlage für ein funktionierendes, mit ausreichenden finanziellen Ressourcen ausgestattetes Staatswesen. Dabei hat alles einmal ganz klein angefangen!
Gestartet ist die kantonale Steuerverwaltung im Frühling 1920, also heute vor hundert Jahren, mit lediglich fünf Steuerkommissären. Und zuvor gab es sie als eigenständige Verwaltungsabteilung noch gar nicht. Ein Blick zurück auf Zahlen und Menschen.
1803: Der junge Kanton braucht Geld
Nach der Gründung des Kantons im Frühjahr 1803 musste er sich ohne Verzug mit der Frage seiner künftigen Finanzierung befassen. Die provisorische Regierungskommission kündigte schon am 18. März 1803 ihre diesbezüglichen Bedürfnisse an, gelobte aber, dabei Zurückhaltung auszuüben:
" Zu den vielen Schwierigkeiten, die wir bey unserm Regierungsantritt finden, gesellet sich auch der Mangel gehöriger Baarschaft zur Bestreitung der nöthigen Bedürfnisse. Zu Euren Beyträgen wird daher die Regierung in vorkommenden Fällen ihre Zuflucht nehmen müssen. Von uns dürft ihr aber erwarten, dass wir bei unserer kurzen politischen Laufbahn die möglichste Sparsamkeit in allen unsern Ausgaben anwenden werden, und die künftige Regierung wird diesen Grundsatz, wie wir hoffen, als ein heiliges Vermächtnis ihr eigen machen."
In Umsetzung dieser hehren Absicht beschloss der Grosse Rat kurz darauf, neben verschiedenen indirekten Steuern (Monopoleinnahmen, Zöllen, Gebühren und Abgaben) fortan auch eine Vermögenssteuer, die "natürlichste und verhältnismässigste aller Arten von Abgaben", zu erheben. Die Aufgabe des Bezugs dieser Steuer übertrug er jedoch im Wesentlichen den Gemeinden; der Kanton bestimmte einzig den Zeitpunkt und einige weitere Modalitäten.
Dass der Steuerstaat damals mit seinen Schäfchen vergleichsweise pfleglich umging, zeigt sich allein schon darin, dass das erste kantonale Steuergesetz von 1832 als Grundsatz festhielt, dass sich korrekt verhielt, wer ¾ seines Vermögens "ohne Ausnahme redlich verabgabet". Zwar war jeder Bürger dazu verpflichtet, vor der Steuerkommission zu erscheinen und Angaben zu seinem Vermögen zu machen; wurde diese Deklaration beanstandet, so konnte die Kommission den Vermögensansatz bestimmen. Der Steuerpflichtige brauchte sich diese Veranlagung aber nicht gefallen zu lassen. Er konnte einen sogenannten 'Protokollprotest' abgeben, was dann zur Folge hatte, dass er zeit seines Lebens nach dem eigenen Antrag besteuert wurde.
Das kantonale Steuerwesen im 19. Jahrhundert: eine Leidensgeschichte
Es liegt auf der Hand, dass die Steuererhebungen des Kantons unter den beschriebenen Voraussetzungen nur allzu oft nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigten. Trotzdem verliefen Bemühungen zu grundlegenden Reformen immer wieder im Sand. Die st.gallische Steuergeschichte des 19. Jahrhunderts wird in der Literatur denn auch als eigentliche "Leidensgeschichte" bezeichnet. Die Bilanz, die der Regierungsrat im Oktober 1919 über das bisherige Steuersystem zog, war jedenfalls ernüchternd. Zum einen gab er sich überzeugt, "dass in verschiedenen Gemeinden des Kantons die örtlichen Steuerbehörden für das Steuerwesen und den richtigen Vollzug desselben nicht bloss nicht die nötigen Kenntnisse haben, sondern demselben gegenüber geradezu einen Aberwillen zeigen, statt es zu fördern, dem Erfolg hinderlich entgegenarbeiten." Zum anderen stellte er aber auch den Steuerpflichtigen ein miserables Zeugnis aus und rief zu einer radikalen Verhaltensänderung auf: "Wir sprechen hier auch die bestimmte Erwartung aus, dass der st.gallische Staatsbürger zu seiner eigenen Gewissensruhe und aus Pflichtgefühl mit einer Steuermoral ernstlich zu brechen gedenke, die nicht mehr und nicht weniger als eine arge Korruption und schliesslich den Ruin des Staates bedeutet."
Kein Aprilscherz: 1. April 1920 – die Geburtsstunde der kantonalen Steuerverwaltung
Die Mängel des bisherigen Systems, die in der Krisenzeit des Ersten Weltkriegs noch evidenter geworden waren, verhalfen schliesslich der Überzeugung zum Durchbruch, dass die Rolle des Kantons bei der Steuererhebung massgeblich gestärkt werden musste. Bis zum Inkrafttreten des zweiten Nachtragsgesetzes zum Steuergesetz im Jahr 1918 war das kantonale Steuerwesen unter der direkten Verantwortung des Vorstehers des Finanzdepartements gestanden, der in schwierigen Fällen nicht selten höchstpersönlich an der Veranlagung mitwirkte. Zu dessen Entlastung rief der Regierungsrat mit einer Verordnung, die auf den 1. April 1920 hin in Kraft trat, die kantonale Steuerverwaltung als "selbständige, unter der Oberaufsicht des Finanzdepartementes und des Regierungsrates stehende Verwaltungsabteilung" ins Leben.
Zum ersten Vorsteher wurde Berthold Zäch, der bisherige Sekretär des Finanzdepartements, ernannt. Den Wein zum Eröffnungsapéro musste dieser wohl nicht weit suchen. Als erstes Domizil wurde der Steuerverwaltung nämlich der erste und zweite Stock im "Haus zur Rose" an der Gallusstrasse 18 zugewiesen, an der praktischerweise auch die Weinhandlung Lendi & Co. untergebracht war. Heute wird an derselben Adresse übrigens weniger mit Zahlen gerechnet oder mit Flaschen gehandelt, als Text und Wort angeboten (Buchhandlung zur Rose und Medienschule St.Gallen).
Neue Zeiten, neue Steuern
Standen im st.gallischen Steuerwesen unmittelbar nach der Kantonsgründung die natürlichen Personen im Fokus, wurden ab 1863 auch die sog. "anonymen Gesellschaften" (juristische Personen) in die Steuerpflicht genommen. 1893 wurde auf kantonaler Ebene eine "Erbschafts-, Vermächtnis- und Schenkungssteuer" eingeführt, 1954 kam die Grundstückgewinnsteuer und 1967 die Quellensteuer hinzu. Bei den natürlichen Personen erfolgte mit dem Steuergesetz von 1944 der Übergang zum heutigen Modell, in dem die Besteuerung der Einkünfte (Einkommenssteuer) im Vordergrund steht und die Vermögenssteuer nur ergänzende Funktion hat. Seit der Zeit der beiden Weltkriege ist der Kanton zudem an Veranlagung und Bezug der direkten Bundessteuer beteiligt, welche dieser als Folge des in den Krisen- und Kriegsjahren massiv erhöhten staatlichen Finanzbedarfs vorerst befristet eingeführt (Kriegssteuer, Krisenabgabe, Wehropfer, Wehrsteuer), später dann dauerhaft installiert hatte.
Zwischen Steuergerechtigkeit und Standortattraktivität
Der laufende Ausbau des Steuerwesens gab Stimmen Auftrieb, welche eine sozial gerechte Verteilung der Steuerlasten einforderten und dazu aufriefen, den Grundsatz der "Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" verstärkt zu berücksichtigen. Gleichzeitig wurde von anderer Seite angemahnt, in Steuerfragen den Aspekt der Standortattraktivität im Vergleich zu anderen Kantonen nicht ausser Acht zu lassen. Dass die Berechnungen, welche die Steuerverwaltung zu diesem Zweck anfertigte, nicht immer nur günstig für unsere Landesgegend ausfielen, macht eine grafische Darstellung der Steuerbelastung in ausgewählten Kantonshauptstädten für das Jahr 1942 deutlich.
Die Steuerverwaltung als Karrieresprungbrett
Betrachtet man die Liste der bisherigen Vorsteher der kantonalen Steuerverwaltung (eine Frau ist übrigens bislang keine darunter), so fällt auf, dass manch ein Amtsinhaber diesen Posten als Karriere-Sprungbrett zu nutzen wusste:
1920-1932: Berthold Zäch
1933-1936: Albert Gemperli
1936-1951: Willy Rigoleth
1951-1961: Alfred Kurth
1962-1975: Francis Cagianut
1975-1978: Paul Gemperli
1979-1988: Paul Humbel
1989-2011: Rainer Zigerlig
2011- Felix Sager
Sowohl Albert als auch Paul Gemperli konnten die in der Steuerverwaltung erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zweifellos auch in ihrer späteren Funktion als Vorsteher des Finanzdepartements nutzen. Ebenso kamen Francis Cagianut die Erfahrungen, die er im Austarieren der zuweilen gegensätzlichen Interessen von Bürger und Staat schon im Steueramt gemacht hatte, mit Sicherheit auch als Richter und Präsident des kantonalen Verwaltungsgerichts zupass.
"Steuervogt" oder Mensch?
Es liegt in der Natur der Materie, dass das Ansehen der Steuerbehörden und ihrer Angestellten beim Steuervolk nicht immer und überall nur das allerbeste ist. Nicht selten werden sie in der Rolle eines "Steuervogts" gesehen, ihr Handeln als bürokratisch kritisiert.
Dabei geht zuweilen vergessen, dass die Steuerverwaltung letztlich auch nur aus Menschen besteht, die seit mittlerweile hundert Jahren bemüht sind, nach bestem Wissen und Gewissen die ihr vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben zugunsten des Gemeinwesens auszuüben. Und dabei durchaus auch Humor zeigen können, wie ein Briefwechsel aus dem Jahr 1936 beispielhaft zeigen mag! Ein Bürger legte damals seinen Steuerunterlagen folgende Widmung bei:
"Ob die neue Steuerschraube
Uns den Kopf vom Rumpfe raube,
Ob der alte Steuervogt
Wütend um die Häuser tobt,
Ob der auf den Kopf uns stellt,
Bis die letzte Münze fällt;
Alle diese Grausamkeiten
Vergisst der Mensch zu Frühlingszeiten."
Worauf ihm der zuständige Steuerkommissär des Kantons zurückschrieb:
"Wer so froh den Lenz erlebt,
alles mit Humor durchwebt,
Wer sogar dem Steuervogt
Solche "Hinke-Reime" entloggt:
Wahrlich, der ist zu beneiden
Trotz der Steuerschraube-Leiden."
Literatur:
· H. Bösch: Die kantonale Steuerverwaltung St.Gallen. Rückblick auf die ersten 25 Jahre ihres Bestehens (1920-1945). Unveröffentlichtes Manuskript, St.Gallen 1945 (StASG ZA 995/0020)
· Max Seifert: Finanzen und Steuern, o.O., ca. 1953 (StASG ZDD 8.1.1)
· Kantonale Steuerverwaltung: Die Entwicklung des st.gallischen Steuerwesens von 1803 bis 1953, St.Gallen ca. 1953 (Bibliothek StASG, F 1110 (6))
· Agostino Cozzio: 75 Jahre Steuerverwaltung St.Gallen: Start mit fünf Steuerkommissären, in: Pfalz-Brief Nr. 1/1995, S. 3-4 (StASG ZA 078)
· Bö Stiftung im Museum Heiden (Hg.): Carl Böckli. Karikaturist mit spitzer Feder, Heiden 2012 (Bibliothek StASG Bro I 172)
Quellen:
ARR B 2: 1920/686 und 1920/1120
KA R.156 D
KA R.185 B 4
A 591/5.2
A 602
A 603
ZC 221.21
ZMH 64/336c
Martin Jäger, Staatsarchiv St.Gallen
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