„Der Garten ist eine Poesie! Die allerbeste Erholungsoase.“
„Fühlte mich wie beim Wellnessen.“
„Der Koch und die ganze Küchencrew verdienen die Auszeichnung zum Sternekoch.“
„Der Service war hervorragend.“
„Machen Sie weiter so, ich empfehle Euch bestimmt weiter.“
Diese begeisterten Rückmeldungen stammen nicht etwa von einer Bewertungsplattform für Hotels, sondern von Feedback-Formularen des Spitals Grabs aus den Jahren 2007-2013. „Würde es sich nicht um ein Spital handeln“, meinte eine Patientin, „würde ich hier gar Ferien buchen.“ Auf einem andern Bogen lautet das Fazit kurz und bündig: „Auf einen Nenner gebracht: ‚Wohlfühlspital‘.“ Wie zufriedene Spitalgäste aussehen, zeigt die Zeichnung einer Patientin auf dem Rand des Fragebogens:
Vom Wahlmenü zum WLAN
Wer sich wohl fühlt, wird schneller gesund. Viele der Patientinnen und Patienten setzen inzwischen aber einen Standard voraus, der einem besseren Hotel gleichkommt – und wofür sie bei manchen Versicherungsmodellen freilich auch bezahlen. So kommt es zu Kritik und Wünschen, die ebenfalls den Einträgen auf Bewertungsportalen für Hotels ähneln:
„Das Entertainment-Programm (Radio/TV) ist sehr rückständig.“
„Der Liechtensteiner-Sender hat mir gefehlt.“
„Im Zimmer/ganzes Spital Klimaanlage.“ (Verbesserungsvorschlag)
„Ein kleiner Kühlschrank, um die Getränke kalt zu halten.“ (Verbesserungsvorschlag)
„Das Morgenessen hätte etwas üppiger sein dürfen. Ich glaube, in St.Gallen gibt’s ein Buffet, das wäre natürlich voll de luxe.“
Verschiedentlich wurde in Grabs auch eine bessere WLAN-Abdeckung gewünscht. Ein jugendlicher Spassvogel träumte gar von einem „Vergnügungspark“ direkt neben dem Spital. Ein Patient mahnte dagegen, man solle den Patientenwünschen nicht zu viel Raum geben: „Dem Patienten fehlt es an nichts. Der Spitalaufenthalt soll nicht zum Wellnessaufenthalt werden.“ Ähnlich äusserte sich auch eine Patientin: „Ich denke, dass Sie so weitermachen können, alles andere wäre Luxus!“
Solche Rückmeldungen werden kulturhistorisch interessant, wenn man sie mit älteren Unterlagen zur Spitalgeschichte vergleicht. 1990 beispielsweise bestand im Spital Walenstadt der Luxus noch darin, dass die Patientinnen und Patienten ihr abendliches Wahlmenü aussuchen durften. Eine statistische Auswertung dokumentiert die damaligen kulinarischen Vorlieben:
Fleisch zur Stärkung
Wenn wir ins Jahr 1912 zurückgehen, finden wir im sogenannten „Speise-Regulativ“ des Kantonsspitals St.Gallen anstelle eines Frühstückbuffets lediglich „Milch, oder Kaffee mit Milch und Brot.“
Dafür umfasste das Mittagessen neben Suppe und Gemüse jeden Tag auch eine Portion Fleisch:
„Gesottenes Ochsenfleisch: Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag.
Rindsbraten: Dienstag.
Kalbsbraten: Donnerstag.
Bratwurst: Sonntag.“
Patientinnen und Patienten aus einfachen oder gar ärmlichen Verhältnissen haben sich angesichts des täglichen Fleischgerichts wahrscheinlich auch wie im Fünfsternehotel gefühlt.
Das Zvieri („Vesperbrot“) war gleich wie das Morgenessen, zum Abendessen gab es „Hafersuppe, abwechselnd mit Mehl- oder Kartoffelsuppe.“
„Als Extraspeisen können den Kranken verschrieben werden: verschiedene Brotsorten, Milch, Bouillon, Hafer-, Reis- oder Gerstenschleim, Leguminose [Hülsenfrüchte wie Bohnen und Erbsen], Gries-, Mehl- oder Reisbrei, Eierspeisen, Omeletten, Spiegeleier, gehacktes Ochsen- oder Kalbfleisch, Bratwurst, Hirn, gekochtes Obst, grünes Gemüse.“
Wein für Alle!
Eine stärkende und gesunde Nahrung – oder was man in der jeweiligen Zeitepoche dafür hielt – ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Spitalbehandlung. Dass ein Spital nicht nur seinen Patientinnen und Patienten, sondern selbst dem Personal alkoholische Getränke ausschenkt – dazu noch kostenlos und nach heutigem Massstab nicht zu knapp – wäre heutzutage jedoch undenkbar. 1912 war die Abgabe von Wein, Most oder Bier dagegen gewissermassen ein Lohnbestandteil.
Die Pflegenden („Wartpersonal“) des Kantonsspitals erhielten den wohl höherwertigen „Patientenwein“, derweil das „Dienstpersonal“ mit dem „Dienstenwein“ vorlieb nehmen musste. Statt Wein konnte man auch Bier beziehen. Interessant wäre zu wissen, nach welchen Kriterien man die abgestufte Verteiltabelle mit ihren Deziliter-Angaben erstellt hatte. Männer wurden offensichtlich bevorzugt. Bei den Heizern und Gärtnern kann man mutmassen, dass sie durstiger waren als die Pförtnerin.
Wer auf sein Guthaben an alkoholischen Getränken verzichten wollte, konnte immerhin eine Geldentschädigung beziehen.
Speiseregulativ des Kantonsspitals von 1912
Quellen
StASG B 016/4.2 (Patientenrückmeldungen Spital Grabs, 2007-2013)
StASG ZA 048 (Jahresbericht des Spitals Walenstadt 1990)
StASG B 016/3.1 (Spital Grabs: Dokumentation zur Spitalgeschichte, darin: Speise-Regulativ des Kantonsspitals)
Mehr Informationen zur Geschichte des St.Galler Spital- und Medizinalwesens bietet u.a. das Neujahrsblatt des Historischen Vereins St.Gallen von 2011. Das Buch ist im Volltext online zugänglich.
Marcel Müller, Staatsarchiv St.Gallen
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