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Vor über hundert Jahren (1904) wurde die erste Badeanstalt auf der "Sennrüti" in Degersheim (Kuranstalt für das physikalisch-dietätische Heilverfahren) fertiggestellt.

Der Gründer und Initiant

Im Bild: Isidor Grauer-Frey Bildnachweis: Büchlein "Sennrüti" Degersheim, Fotograf: M. Leibacher
Im Bild: Isidor Grauer-Frey Bildnachweis: Büchlein "Sennrüti" Degersheim, Fotograf: M. Leibacher

Gründer der "Sennrüti" war Isidor Grauer-Frey (1859-1940), ein Degersheimer Stickereifabrikant und Unternehmer.
Als vielbeschäftigter Mann litt er an physischer und vermutlich auch an psychischer Erschöpfung. Nach einer erfolgreichen Kur in Veldes (heute: Bled in Slowenien), in der damals berühmten Kuranstalt Rickli, hatte er die Idee, in Degersheim eine ähnliche Institution zu gründen. 

Der Schweizer Naturheiler Arnold Rickli (1823-1904) errichtete 1855 in Veldes (Bled) eine bekannte Sonnenheilanstalt. Er war Begründer der atmosphärischen Kur, Verfechter von natürlichen Heiltherapien wie Luft- und Sonnenbädern, Heilsystemen wie Kneipp, Priessnitz und Schroth.

Aussenansicht der Badeanstalt (StASG, ZMA 18/09.05-19)

Kur- und Badeanstalt

"Gruss aus Ascona" (Nebelspalter, 4.10.1929)

Während aber der "wahre" Monte Verità ein Zentrum für verschiedene Bewegungen war – wie z.B. Anarchismus, Pazifismus, Theosophie, Anthroposophie, Ausdruckstanz und später auch für politischen Widerstand – war die "Sennrüti" primär eine Kuranstalt für ganzheitliche Heilung. 

Das Voralpenklima im hügeligen Toggenburg mit seinen Wiesen und Wäldern wurde als sehr günstig für Heilerfolge angepriesen.

Im Büchlein "Kuranstalt Sennrüti" aus dem Jahr 1927 steht zu oberst das Motto: "Wasser tut's freilich – Höher doch steht die Luft, am höchsten das Licht!", Rickli. 

Schon damals war die Erkenntnis da, dass die manchmal hektische und ungesunde Lebensweise des modernen Menschen vielfältige Leiden verursacht. 

Für die internationale Freikörperkulturbewegung (wie für die Lebensreformbewegung überhaupt) ist der Monte Verità bei Ascona am Lago Maggiore ein "zentraler historischer Kultort" (vgl. Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke: Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880-1933, Wuppertal 1998).

Brand der Badeanstalt am 9. September 1973. Bild: Staatsarchiv St.GallenBA 1/14.25

"Die rechte Gesundung erreichen wir am sichersten in einer Kuranstalt wie Sennrüti, durch planmässige Anwendung der klimatischen, physikalischen und diätetischen Heilfaktoren" – steht weiter im Heftchen vom Jahr 1927. 

Isidor Grauer-Frey war nach seiner gelungenen Kur in Veldes überzeugt, dass eine solche Heilmethode auch in der Schweiz Anhänger finden würde. Nach bescheidenem Anfang mit einer Badehütte wuchs der Kurbetrieb, und bereits im Jahr 1906 wurde ein Kurarzt, Dr. Fritz von Segesser (1873-1945), angestellt. Nach Isidor Grauer wurde das Kurhaus von Grauers Tochter Anna und ihrem Mann Fritz Danzeisen geleitet.

Es kamen zahlreiche Gäste – u.a. Hermann Hesse im Herbst 1922 – sowie andere Berühmtheiten.

Der Kuranstalt war nicht nur in der Schweiz sondern auch im Ausland bekannt.

Trotz des Aufschwungs gab es auch schwierigere Jahre, so etwa während der beiden Weltkriege oder als 1973 ein Brand fast alle Gebäude zerstörte.

Lufthütten im kleinen Herrenluftbad (aus: Kuranstalt Sennrüti Degersheim, ca. 1927)

2001 wurde der Pflegebereich geschlossen, und im Sommer 2009 erhielt die "Sennrüti" eine neue Zweckbestimmung. Das leerstehende Kurhaus ging an die Genossenschaft "Ökodorf Sennrüti" über.

Ein Tag in der "Sennrüti"

"Damenluftbad" - Frauen machen Turnübungen in der frischen Luft am Morgen, zwischen 1910-1920

Der Kurplan war zwar individuell zusammengesetzt, enthielt aber bestimmte, bei allen Patientinnen und Patienten angewendete Elementen. Diese bestanden aus einem morgendlichen Luftbad in Verbindung mit Gesundheits- und Atemgymnastik. Die Luftbäder fanden bereits vor dem Frühstück statt. "Am Vormittag wurden dann diejenigen Anwendungen genommen, welche der Erneuerung und Neubelebung des gesamten Organismus dienen."

Danach folgten die Sonnenbäder in der Badanstalt. Nach 10 bis 40 Minuten wurde man in eine Wolldecke eingewickelt und blieb noch in der Sonne liegen, bis man schwitzte. Nach dem Schwitzen kamen Halbbad, Spaziergang und anschliessend Ausruhen. 

Aus dem Heft "Kuranstalt Sennrüti", frühe 50er-Jahre.

Die Badanstalt

Frauenbaderaum / aus: "Kuranstalt Sennrüti", ca. 1957)

"Die Badanstalt besteht aus getrennten Abteilungen für Damen und Herren, sie ist eingerichtet für verschiedene Kalt-/Warmwasserbehandlungen, Sol-, Sprudel-, Schwefelbäder etc, Subaquale Darmbäder, Galvanisation, Faradisation, künstliche Höhensonne". Aus dem Heft "Kuranstalt Sennrüti", frühe 50er-Jahre.

Wintersonnenbad (aus: "Kuranstalt Sennrüti", ca. 1957)

In der Kuranstalt fanden auch Winterkuren statt: Die Gäste trieben Wintersport und besuchten die gut eingerichteten Winter-Sonnenbad-Anlagen.

Autorin: Anna-Maija Müller - Staatsarchiv, Privatarchive, Sammlungen, Fototechnischer Dienst

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