Seit Mitte der 1960er Jahre wurde in der Schweiz die zivile Nutzung der Atomenergie für die Energieproduktion in Betracht gezogen. Diese Entwicklung führte in gewissen Bevölkerungskreisen zu Protesten gegen geplante Kernkraftwerke. Zahlreiche Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern kritisierten das aus ihrer Sicht rücksichtslose Handeln der Konsumgesellschaft sowie die Gefährdung der Umwelt durch die verschiedenen Kraftwerksprojekte.
Unterlagen, Pläne und Fotografien aus dem Staatsarchiv geben einen Einblick in die Geschichte eines Kernkraftwerk-Projekts im St.Galler Rheintal.
Nach dem Bau einer Öl-Pipeline im Rheintal erhoffte sich die st.gallische Kantonsregierung zu Beginn der 1960er Jahre günstigere Rahmenbedingungen für die industrielle Entwicklung der Region. Ein Projekt des Kantons und der NOK (Nordostschweizerische Kraftwerke AG) von 1963 für ein thermisches Kraftwerk bei Rüthi stiess aber auf erheblichen Protest, und das geplante Ölkraftwerk scheiterte.
1972 wagte die NOK einen zweiten Versuch für ein Kraftwerksprojekt, diesmal wurde jedoch anstelle eines thermischen Kraftwerks der Bau eines Kernkraftwerks geplant.
Fotomontage mit Kühlturm
Planausschnitt
Befürwortet wurde das Vorhaben damals auch von Vertretern der Landwirtschaft. Die kantonale Gemüsebaukommission sah im Kernkraftwerkprojekt einen wesentlichen Produktionsvorteil, weil die "Abfallwärme" eines Atomkraftwerkes angeblich für die Heizung von Treibhäusern genutzt werden oder für eine Bodenheizung von ca. 800 ha ausreichen könnte. An der Sitzung wurden zwar auch kritische Stimmen laut, doch diese befassten sich ausschliesslich mit technischen Problemen bei der Nutzung von Abfallwärme. Das Projekt wurde hingegen nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Sitzungsprotokoll der kantonalen Gemüsebaukommission
Auf Seiten der Kernkraftgegner wurde im Juni 1975 in Altstätten der Verein "Atomkraftwerk Rüthi Nein" mit 500 Mitgliedern gegründet. Im Vorstand befanden sich u.a. die bekannten Nationalräte und HSG-Dozenten Hans Schmid (SP) und Franz Jaeger (LdU), Unterstützung fand er aber auch bei bürgerlichen Politikern und Politikerinnen von CVP und FDP. Nach ausgiebigen Protesten wurde das AKW-Projekt schliesslich im Jahr 1980 gestoppt, was vermutlich auch am starken Widerstand aus dem Nachbarland Österreich lag.
Gründungspapier
Der Verein "Atomkraftwerk Rüthi Nein" existierte weiterhin, da die Sorge wegen eines möglichen Baus des Kraftwerks in Rüthi immer noch bestand, und weil z.B. das Kraftwerks-Projekt in Kaiseraugst noch nicht gestoppt worden war. Nach dem Brand eines Atom-Reaktors 1986 in der Ukraine weitete der Verein seine Arbeit aus und kämpfte fortan gegen die Atomkraft in der gesamten Schweiz, bis sich der Verein im Jahr 1993 auflöste.
Einladung
Signaturen: StASG A 160, W 116 und W 228
Christine Stoy und Patric Schnitzer, Staatsarchiv St.Gallen
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