E-Government und die digitale Transformation der Verwaltung sind in allen Mündern, viele arbeiten inzwischen rein digital. In Teilen der Verwaltung werden teilweise seit mehr als 10 Jahren GEVER-Systeme (CMI Axioma/ BrainConnect/ OneGov Gever) eingesetzt. Doch was bedeutet diese Umstellung eigentlich für die langfristige Erhaltung, sprich Archivierung?
Ein Grossteil der Unterlagen kann nach Ablauf der gesetzlichen und administrativen Fristen vernichtet werden. Basierend auf den gesetzlichen Grundlagen über die Archivierung wird eine Auswahl der Unterlagen dauerhaft archiviert, mit dem Ziel, die historische Überlieferung zu sichern und staatliches Handeln auf lange Zeit nachvollziehbar zu machen.
Für die digitale Langzeitarchivierung, also für die Nutzbarhaltung archivwürdiger Unterlagen über viele Jahrzehnte hinweg, existieren heute Standardverfahren und Standardsoftware. Es wird allerdings spezifisches archivisches Know-how benötigt. Dies ist in grossen Archiven zwar in der Regel vorhanden, in kleineren Stadt- und Gemeindearchiven lohnt es sich aber nicht, eigene digitale Archive aufzubauen und zu betreiben. Daher liegt es nahe, dass sich Gemeinden für die digitale Archivierung zusammenschliessen und diese Aufgabe gemeinsam angehen.
Die angestrebte Lösung ist Teil der übergreifenden E-Government-Strategie «Digitalisierung von Behördendienstleistungen».
Ziel ist es, im Kanton St. Gallen eine Verbundlösung für digitale Gemeindearchive aufzubauen und ihren Betrieb langfristig sicherzustellen. Damit werden die Gemeinden in der Lage sein, den gesamten Lebenszyklus von Unterlagen digital abzubilden, basierend auf den Vorgaben des kantonalen Gesetzes über Aktenführung und Archivierung.
Ohne digitale Langzeitarchivierung gibt es keine Erhaltung des kulturellen Erbes. Gemeinden sind gesetzlich verpflichtet, die Aufbewahrung wichtiger Dokumente zu gewährleisten und zugleich regelt das kantonale Datenschutzgesetz (DSG) die zulässige Bearbeitungsdauer von Personendaten durch öffentliche Organe. Erst eine geordnete Aktenführung, eine Archivierung archivwürdiger bzw. Löschung nicht mehr benötigter Daten ermöglicht einen effizienten Umgang von Informationen. Nur archivierte Daten können veröffentlicht und genutzt werden. Auch aus finanzieller Sicht ist ein Zusammenschluss der Gemeinden sinnvoll.
Schliesslich sinken durch die Ablieferung archivwürdiger Daten sowie der damit verbundenen Löschung alter Daten aus den GEVER-Systemen die Aktiv-Speicherkosten.
Aufbewahrungsfristen können der Fristenliste entnommen werden.
Wichtigste Anforderung an ein digitales Langzeitarchiv ist die dauerhafte Sicherung von Daten. Die Speicherung erfolgt redundant und system- und herstellerunabhängig nach internationalen Standards. Weder GEVER-Systeme noch Websites genügen diesem Anspruch. Sie sind nicht darauf ausgelegt, Daten über Jahrzehnte hinweg nutzbar zu halten und ihre Integrität und Authentizität nachzuweisen.
Das jeweilige Gemeindearchiv liefert Pakete (Submission Information Package, kurz SIP, genannt) über eine Transferplattform an das Staatsarchiv. Dort wird das Paket überprüft und ingestiert. Dabei werden die Daten und Metadaten aufbereitet, die Metadaten in das Archivinformationssystem geschrieben und die Daten im elektronischen Magazin (Repository) gespeichert. Ein Zugriff für die Gemeinden erfolgt über das Archivinformationssystem auf die Metadaten und die Daten. Die Daten im elektronischen Archiv werden periodisch auf Integrität (Unverändertheit) und Nutzbarkeit (existiert noch Software zum Lesen und Anzeigen?) überprüft.
Unterlagen durchlaufen verschiedene Phasen. Mit Eröffnung eines Geschäfts beginnt die laufende Ablage, die bis Abschluss des Geschäfts währt. Anschliessend beginnt die ruhende Ablage, die je nach Aufbewahrungsfrist mehrere Jahre umfasst. Am Ende dieser Phase wird bewertet: Ein Grossteil der Unterlagen kann vernichtet werden, ein kleiner Prozentsatz wird archiviert und für die Nachwelt gesichert. GEVER-Systeme dienen der Bewirtschaftung von aktiven und ruhenden Ablagen, sie umfassen hingegen nicht die Phase Archiv.
Grafiken und Erklärungen bietet auch der eCH-0164 Standard.
Die Daten der verschiedenen Gemeinden werden voneinander getrennt gespeichert und bleiben weiterhin in Besitz der jeweiligen Gemeinde.
Die Daten werden nach Schweizer Recht, ohne Zugriffsmöglichkeit durch ausländische Behörden in Rechenzentren in der Schweiz gesichert.
Bevor aus einem GEVER-System Daten exportiert werden können, sind organisatorische wie technische Vorarbeiten zu leisten. Diese sind abhängig vom eingesetzten System. In jedem Fall sind beim Ordnungssystem die Aufbewahrungsfrist und Archivwürdigkeit (Lifecycle Labels) zu hinterlegen und bestimmte Konfigurationen vorzunehmen. CMI benötigt zudem verschiedene, kostenpflichtige Lizenzen. Sobald die Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind, kann dann eine Ablieferung aus dem GEVER-System über die Schnittstelle eCH-0160 erfolgen.
Um auch eine künftige Verwendung der archivierten Daten zu gewährleisten, sollten nur bestimmte Formate in das digitale Langzeitarchiv gelangen. Grundsätzlich unproblematisch sind .docx (Word), .xlsx (Excel), .jpg, .tiff (Bilder) sowie PDF.
Dateiablagen, die sich nicht in GEVER befinden können auf verschiedenen Wegen in das DLZA gelangen: Es ist möglich, sie in GEVER zu integrieren oder sie mittels einer Applikation in ein SIP umzuwandeln. In jedem Fall gibt es dabei mehrere Hürden zu bewältigen, die hier nicht abschliessend genannt seien: Welche Dateiformate haben die Dateien und können sie in archivtaugliche Formate konvertiert werden? Welche Strukturen herrschen in den Ordnern vor, denn je nach GEVER ist nur eine bestimmte Anzahl an Hierarchiestufen zulässig? Das Format des SIP kann entweder ebenfalls dem Standard eCH-0160 folgen oder muss dergestalt sein, dass der Ingestprozess das Paket verarbeiten kann.
Im ersten Ausbauschritt sind nur Ablieferungen aus GEVER-Systemen geplant, perspektivisch ist ein Ausbau möglich und erstrebenswert.
Es obliegt auch weiterhin den Gemeinden für ihre Unterlagen analog wie digital zu sorgen. Hierfür können sie wie bislang auch auf Archivdienstleister zurückgreifen. Die Komplexität der Archivbewirtschaftung steigt mit der digitalen Archivierung.
Informationen zu Aktenführung und Archivierung in den Gemeinden sowie entsprechende Arbeitshilfen stellt das Staatsarchiv hier zur Verfügung.
Eine geordnete digitale Dossierführung samt digitaler Langzeitarchivierung ermöglichen langfristig eine vollständige digitale Aktenführung, sodass auf Ausdrucken und analoge Archivierung verzichtet werden kann (Ausnahmen sind beispielsweise juristisch relevante Dokumente mit handschriftlicher Unterschrift).
Noch offene Fragen?
Mareike Heering
Dr. phil.
Mitarbeiterin Digitale Dienste
Regierungsgebäude, Klosterhof 1
9001 St.Gallen