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Publiziert am 07.05.2024 16:08 im Bereich MariaMagdalena
Unterstützung statt Sexkaufverbot

Warum das nordische Modell nicht die Lösung ist.

Warum das nordische Modell nicht die Lösung ist

In der Schweiz wird kontrovers über die Einführung eines Sexkaufverbots diskutiert, das angeblich dazu dienen soll, Sexarbeitende vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen sowie Menschenhandel zu bekämpfen. Diese Idee basiert auf dem nordischen Modell, das im verganenen Jahr von vielen EU-Parlamentariern befürwortet wurde. Doch zahlreiche Organisationen, die sich für Menschen- und Arbeitsrechte einsetzen, argumentieren dagegen.

Erfahrungen und Studien zeigen, dass ein Verbot von Sexarbeit nicht zu einer Verringerung von Ausbeutung oder zu sichereren Arbeitsbedingungen führt. Im Gegenteil, es erhöht die Risiken für Gesundheit, Gewalt und prekäre Lebensumstände der Sexarbeitenden. Die Stigmatisierung der Sexarbeit als illegale Tätigkeit verstärkt nur die Probleme, mit denen diese Menschen bereits konfrontiert sind. 

Was genau bedeutet ein Sexkaufverbot? Es bedeutet, dass der Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe steht, während die Sexarbeitenden selbst nicht bestraft werden. Doch anstatt Menschenhandel zu verhindern, verschlechtert ein solches Verbot die Arbeitsbedingungen der Sexarbeitenden noch weiter.

In Ländern, die das nordische Modell anwenden, werden nicht nur Kunden bestraft, sondern es wird auch jegliche Unterstützung von Dritten beim Verkauf sexueller Dienstleistungen kriminalisiert. Das führt dazu, dass Sexarbeitende isoliert werden und für aufsuchende Sozialarbeit schwer erreichbar sind.

Die Erfahrungen aus der Arbeit an der Basis mit Sexarbeitenden sowie Studien belegen: Das Schwedenmodell oder andere repressive Massnahmen haben negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Sexarbeitenden und auf die Gewaltprävention im Sexgewerbe. Ein Sexkaufverbot erschwert aufsuchende Arbeit, da Sexarbeitende wegen der Strafbarkeit der Kunden gezwungen werden, ihre Tätigkeit im Verborgenen auszuüben.

Daher ist es wichtig, weiter den langjährigen Erfahrungen der erfolgreichen HIV/STI-Prävention zu folgen: weg von repressiven Massnahmen und Sanktionen hin zu einer Einbeziehung der Zielgruppe auf Augenhöhe, Berücksichtigung der gesellschaftlichen Situation sowie des Settings und verhaltensbezogener Massnahmen. Erforderlich ist ein Rahmen, der möglichst günstige Bedingungen für aufsuchende Arbeit bietet.

Zudem erschweren repressive Massnahmen das Vertrauensverhältnis der Sexarbeitenden zu Fachpersonen und verhindern so den Zugang zum Hilfesystem, was das Risiko einer Übertragung von HIV oder anderen sexuell übertragbaren Infektionen sowie die Wahrscheinlichkeit, Opfer von sexueller und körperlicher Gewalt zu werden, erhöht. 

Es ist dabei wichtig zu betonen, dass nicht alle Menschen im Sexgewerbe Opfer von Zwang und Ausbeutung sind. Viele entscheiden sich bewusst für diesen Beruf, sei es aus wirtschaftlicher Not oder aus persönlicher Wahl. Ein pauschales Verbot entmündigt und stigmatisiert alle Sexarbeitenden und ignoriert ihre individuellen Lebensumstände.

Stattdessen brauchen Sexarbeitende rechtliche Rahmenbedingungen, die ihnen ermöglichen, sicher zu arbeiten, sowie Unterstützungsangebote, die ihnen Alternativen bieten und sie dabei unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen. Gewalt und Menschenhandel müssen bekämpft werden, aber Verbote sind nicht die Lösung dafür. Es ist wichtig, die Bedürfnisse und Rechte von Sexarbeitenden zu respektieren und sie in die Diskussion über ihre Arbeitsbedingungen einzubeziehen.