Die Stigmata der Sexarbeit.
Lisa kommt aus Österreich. Bereits seit vielen Jahren ist sie in der Schweiz als Sexarbeiterin tätig und nimmt regelmässig das Beratungsangebot von Maria Magdalena in Anspruch. Ob ihre Familie und ihre Freunde von dem Job wissen? Nein, das würde sie niemals sagen. Zuletzt ist es dann aber doch rausgekommen, ihre beste Freundin und weitere Kollegen wenden sich von ihr ab.
Anna würde gerne in ihrer Wohnung Sexarbeit anbieten. Sie hat ein extra Zimmer, dass sie dafür nutzen möchte. Im Gegensatz zu einem "normalen" Job wie z.B. einer freien Werbetexterin, die von zu Hause aus arbeitet, muss sie sich sowohl vom Vermieter wie auch von der Gemeinde ihr Vorhaben genehmigen lassen.
Gina hat ein Ekzem an der Hand und geht zur Untersuchung ins Krankenhaus. Was sie denn beruflich mache? Sie sei Sexarbeiterin. Betretenes Schweigen. Sie fängt an sich unwohl und wie ein "Monster zu fühlen".
Dies sind nur einige Beispiele aus unserem Arbeitsalltag, die Liste könnte unendlich fortgesetzt werden. Was alle vereint: Das Hurenstigma. Dieses bezieht sich auf die soziale Diskriminierung und Vorurteile, denen Menschen in der Sexarbeit ausgesetzt sind. Diese Stigmatisierung zeigt sich in verschiedenen Formen; von moralischen Verurteilungen bis hin zu rechtlichen Einschränkungen. Die Auswirkungen des Hurenstigmas sind vielfältig und können das psychische Wohlbefinden und die allgemeine Lebensqualität von Sexarbeitenden erheblich beeinträchtigen sowie den Zugang zum Gesundheits- und Rechtssystem erschweren.
Die tief verwurzelten gesellschaftlichen Vorurteile gegenüber der Sexarbeit tragen zum Hurenstigma bei. Oftmals werden Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, als moralisch verwerflich betrachtet, was, wie in den Beispielen deutlich wird, zu einer sozialen Ausgrenzung führt.
Die Ungleichbehandlung in der Praxis untermauert und festigt dabei das Hurenstigma. Denn auch wenn Sexarbeit in der Schweiz legal ist, so sind die arbeitsrechtlichen Bedingungen von Kanton zu Kanton unterschiedlich und sehr undurchsichtig. Um das Hurenstigma zu überwinden, müssen neben mehr gesellschaftlichem Verständnis für diverse Lebensrealitäten, die Rechte der Sexarbeitenden gestärkt und die bestehenden Gesetze umgesetzt werden. Erreicht werden kann dies neben der vollständigen Entkriminalisierung von Sexarbeit durch die Anwendung des schon bestehenden Arbeitsgesetztes und der Gleichstellung und Behandlung wie bei anderen Berufsgruppen; es braucht keine "Sondergesetze".