In der Öffentlichkeit wird Sexarbeit oft mit Menschenhandel assoziiert. Das liegt einerseits an zu wenig Wissen über die beiden Themenfelder, aber auch daran, dass die Kombination von 'Sex and Crime' die menschliche Aufmerksamkeit garantiert.
Dabei handelt sich beim Ersten um eine Erwerbstätigkeit, beim Zweiten um ein schweres Verbrechen:
Sexarbeit gilt als das älteste Gewerbe. Es ist weltweit unterschiedlich reguliert; in der Schweiz ist es legal und gesetzlich allen anderen Berufen gleichgestellt. Definiert wird Sexarbeit als eine sexuelle Dienstleistung gegen Geld oder eine andere Gegenleistung. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Schweiz jährlich bis zu 20'000 Personen Geld mit Sexarbeit erwerben. Sexarbeitende leben und arbeiten jedoch in höchst unterschiedlichen Kontexten und das macht es herausfordernd, vom Berufsalltag ein scharfes Bild zu zeichnen:
· Sexarbeit in Vollzeit, in Teilzeit oder nur sporadisch
· in einem Club oder in einer Wohnung, als Escort oder auf der Strasse, digital in den Social Media oder als Pornodarsteller*in
· über Jahre als Haupterwerb oder während einer Ausbildung als Zustupf
· aus Leidenschaft, Neugierde oder aufgrund grosser Prekarität…
· als Mann, Frau oder Transperson
· als Schweizer*in oder aus einem EU/EFTA-Land kommend und mit dem Onlinemeldeverfahren für maximal 90 Tage in der Schweiz arbeitstätig
· Generalistin oder Fachperson in speziellem Dienstleistungssegment
· Gesellschafter*in oder Masseuse etc.
Bei aller Vielfalt ist entscheidend, dass die Regeln und Pflichten seitens des Staates klar und griffig sind und Sexarbeitende diese kennen. Kantonale Unterschiede wirken dabei erschwerend. Beratungsstellen wie Maria Magdalena unterstützen Personen im Sexgewerbe mit Informationen und Beratung bei unterschiedlichen Fragestellungen und unterstützen den Zugang zu Angeboten im Gesundheits- und Sozialbereich sowie zum Rechtssystem. Diese Unterstützung ist wichtig, weil schlechte Arbeitsbedingungen bis hin zu Ausbeutung – hier ist der Berührungspunkt mit dem Thema Menschenhandel - in diesem Sektor vermehrt vorkommen können; wie auch bei der Landwirtschaft und in der Privatpflege, um die häufigsten zu nennen. Die Stigmatisierung aufgrund gesellschaftlicher Sittlichkeitsvorstellungen erschwert den Alltag und verhindert teilweise die Durchsetzung der gegebenen Rechte.
Es ist jedoch entscheidend, zwischen selbstgewählter Sexarbeit und erzwungener sexueller Ausbeutung zu unterscheiden. Letzteres ist eine Verletzung von Menschenrechten und Menschenhandel gilt als ein schweres Verbrechen. Polizei und Justiz bekämpfen Menschenhandel auf kantonaler, nationaler und internationaler Ebene.
Um Personen, welche ihren Lebensunterhalt selbstgewählt mit Sexarbeit verdienen, den bestmöglichen Schutz vor Verletzung ihrer Rechte zu gewährleisten, müssen die Regeln schweizweit klar und griffig sein – eingeschlossen zu Selbständigkeit versus Unselbständigkeit, Steuer- und Sozialversicherungsabgaben, Anstellungsbedingungen etc. – und es soll niemand für diese Arbeit verachtet oder bemitleidet werden. Die Bedingungen für das Aufnehmen der Tätigkeit als Sexarbeitende sollen transparent sein; genauso soll auch ein Umsteigen in ein anderes Metier möglich sein ohne fehlende Arbeitsbestätigungen und Lücken im Lebenslauf aus Angst vor Diskriminierung.
Wenn Sexarbeitende vor dem Staat klare Rechte sowie Zugang zu diesen Informationen haben, dann können sie sich gegen Ausnutzung, Ausbeutung sowie Zwangsprostitution schützen.
Wenn Sexarbeiter*innen von ihren Mitmenschen nicht Ächtung, sondern Respekt erfahren, da sie ein urmenschliches Bedürfnis bedienen, dann sprechen wir ihnen die Würde zu, die jedem Menschen zusteht…
Mit diesem Blog verabschiedet sich die Autorin vom Team Maria Magdalena und dieser spannenden Arbeit und zieht weiter – allerdings nur einmal um die Ecke hin zur Opferhilfe SG – AR – AI, wo sie sich weiterhin in ähnlichen Themenfeldern einsetzen wird.
Mit grossem Danke an alle Weggefährt*innen – auf Wiedersehen!
Margot Vogelsanger, Teamleitung Maria Magdalena