Die Zahlen des BAG für das Jahr 2021 belegen es: Der zeitweise Rückgang der Ansteckungszahlen in den Hochphasen der Coronapandemie in den Jahren 2020 und 2021 war keine Trendwende.
Wieder mehr Neuansteckungen mit sexuell übertragbaren Infektionen 2021
In der Schweiz haben sich im Vergleich zum Vorjahr wieder mehr Menschen mit sexuell übertragbaren Infektionen angesteckt, wie dem BAG - Bulletin von Ende Dezember 2021 zu entnehmen ist. Damit hat sich der während der Coronapandemie gezeigte, teils merkliche Rückgang der Infektionszahlen wieder relativiert. Die "Schäbigen Drei" (sexuell übertragbare Infektionen, die unbehandelt zum Teil gesundheitlich gravierende, zum Teil tödliche Folgen haben können) haben im vergangenen Jahr wie nachfolgend beschrieben zugelegt.
Gonorrhoe- und HIV-Fallzahlen steigen wieder merklich an
Im Fall der Gonorrhoe-Ansteckungen konnte mit 3.957 gemeldeten Fällen 2021 und insgesamt 551 mehr zu verzeichnenden Infektionen als im Vorjahr somit ein deutlicher Anstieg festgestellt werden. Darüber hinaus sind mit diesen Zahlen auch die Werte übertroffen worden, die vor der Pandemie für das Jahr 2019 ausgewiesen worden sind. In jenem Jahr wurden 3.904 Ansteckungen mit dem Gonorrhoe-Erreger verzeichnet.
Auch bei den HIV-Ansteckungszahlen musste 2021 im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls ein bemerkbarer Zuwachs notiert werden. So steckten sich im Jahresverlauf insgesamt 323 Personen mit dem Immunschwächevirus an, 52 Menschen mehr als noch im Jahr davor. Dabei blieben die Zahlen jedoch deutlich unter jenen der Ansteckungen im letzten vorpandemischen Jahr 2019, in dem insgesamt 420 Infektionen ausgewiesen worden sind.
Bei den Ansteckungen mit Syphillis blieben die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr nahezu stabil. Gegenüber dem Vorjahr resultierte eine geringfügige Abnahme von Neuinfektionen (Syphillis in Frühstadien). Im Detail haben sich im Laufe des vergangenen Jahres insgesamt 582 Personen mit Syphillis angesteckt, vier weniger als noch im Jahr 2020. Im Vergleich zum vorpandemischen Jahr 2019 blieben die Ansteckungen jedoch das zweite Jahr in Folge deutlich unter dem seinerzeit ermittelten Wert: 153 Personen weniger haben sich 2021 angesteckt als noch im Jahr 2019.
Corona war kein infektiologischer game-changer
Die Ansteckungszahlen für 2021 bestätigen die Vermutungen und Vorhersagen von Fachleuten aus dem Jahr. Damals ist darauf hingewiesen worden, dass die durch das BAG wöchentlich veröffentlichten Zahlen kaum Rückschlüsse auf eine anzunehmende Abschwächung der Ansteckungen mit sexuell übertragbaren Infektionen zuliessen. Dies vor allem, da damit gerechnet werden müsste, dass eventuelle Rückgänge auch dadurch zustande gekommen sein könnten, dass sich weniger Personen aufgrund der Folgen der Coronapandemie haben testen lassen. Es wurde weiter argumentiert, dass Rückgänge bei den sexuell übertragbaren Infektionen weniger ein Hinweis auf einen tatsächlichen Rückgang von ungeschütztem Sex zwischen – wechselnden – Sexualpartner:innen sein müssen (oder, anders formuliert: durch eine Zunahme konsequent angewendeter Safer-Sex-Praktiken), sondern vielmehr durch einen Rückgang an vorgenommenen Tests auf STIs bedingt sein könnten. Die je nach Pandemiephase teilweise gravierenden Einschränkungen des sozialen Lebens in den letzten zwei Jahren noch deutlich vor Augen – u.a. geschlossene Restaurants, Diskos, Bars und Nachtclubs, in Teilen eingeschränkte Zugänge zu Ärzt:innen, spezialisierte Labore und Praxen, Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs – kann heute jedoch angenommen werden, dass die im Jahr 2020 zu verzeichnenden "Delle" bei den Ansteckungszahlen wohl eine Mischung gewesen ist: Aus einem tatsächlichen Rückgang an riskanten sexuellen Kontakten insgesamt aufgrund von eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten einerseits sowie eine Untererfassung von Infektionen aufgrund von weniger durchgeführten Tests andererseits. Wie auch immer ist nunmehr klar, dass der Beginn der Coronapandemie nicht mit einem – baldigen – Ende der STI-Pandemie zusammengefallen ist.
Safer Sex ist die sichere Nummer
Vor dem Hintergrund der BAG-Zahlen für das letzte Jahr gilt daher auch im Jahr 2022 was bereits seit langem gilt: Safer ist die sichere Nummer!
Kondome schützen bei korrekter Anwendung zuverlässig vor einem Grossteil von sexuell übertragbaren Infektionen und sorgen für ein entspanntes sexuelles Erlebnis mittendrin und auch danach.
Falls im Falle einer Kondompanne oder eines (halb-)bewussten Verzichts auf den Gummischutz unbekannte Symptome auftreten sollten – unter anderem Ausschlag, Jucken, Brennen oder ggf. übelriechender Ausfluss – dann heisst es weiterhin: Baldmöglichst ärztliche Hilfe aufsuchen. Damit kann zum einen verhindert werden, dass eine mögliche Infektion bei ungeschützten Verkehr unwissentlich weitergegeben wird. Und zum anderen kann dafür gesorgt werden, dass die Infektion schnell und zielsicher behandelt wird sowie – je nach Infektion – ausheilt. Hier gilt: Je eher das passiert, desto besser. Dies gilt auch und insbesondere für eine Infektion mit HIV, die zwar nicht geheilt, aber medikamentös so eigedämmt werden kann, dass ein "normales" Leben mit einer entsprechend "normalen" Lebenserwartung möglich ist. Auch ist wichtig zu wissen, dass Menschen mit einer erkannten und zuverlässig sowie dauerhaft antiretroviral behandelten HIV-Infektion das Virus nicht mehr übertragen können – und daher, zumindest was HIV angeht, nicht mehr die Sorge haben müssen, ihre Sexualpartner:innen bei ungeschütztem Verkehr einem Infektionsrisiko auszusetzen.
Ganz grundsätzlich gilt weiterhin die Faustregel, sich abhängig vom eigenen sexuellen Aktivitätslevel – der im Falle von Sexarbeiter:innen hoch sein kann – regelmässig testen zu lassen. Einmal im Jahr sollte dies jedoch mindestens der Fall sein. Seinen eigenen Infektionsstatus zu kennen ist ein wesentlicher Baustein bei der langfristigen Vermeidung solcher Infektionen.
Kurzgefasst also - Unabhängig vom Beziehungsstatus. Egal in welchem Jahr. Sei es vor, während oder nach einer Pandemie: Kenne Deinen Infektionsstatus.
Anonyme Testmöglichkeiten gibt es in der Infektiologie des Kantonsspitals St. Gallen an der Rorschacherstrasse 95 in 9007 St. Gallen. Im Rahmen der Sprechzeiten sind keine Terminvereinbarungen notwendig, es wird ein "Walk-In"-Service angeboten.
Sexarbeiter:innen können sich auf Wunsch – zum Beispiel wegen einer bestehenden Sprachhürde – über die Beratungsstelle MariaMagdalena & Priapos anmelden lassen.