Das Risiko für ein problematisches Spielverhalten ist bei Online-Glücksspielen besonders hoch. Dabei dürfte die Zahl an Online-Spielenden in den vergangenen
Monaten wegen Covid-19 nochmals gestiegen sein. 16 Kantone und das Fürstentum Liechtenstein lancieren deshalb mit der Botschaft „Glücksspiele können abhängig
machen. Auch online.” eine Sensibilisierungskampagne.
Als wegen Covid-19 temporär die Casinos geschlossen und auch sonstige Spielangebote eingeschränkt verfügbar waren, haben zeitgleich die Anbieter ihre Werbeoffensive für die neuen Online-Angebote spürbar erhöht. Wie internationale Studien vermuten lassen, dürftendabei auch viele neue Spielende ins Online-Glücksspiel eingestiegen sein.
Das Märchen vom Traumleben
Spielende von Online-Glücksspielen weisen ein überdurchschnittlich hohes Risiko für ein problematisches Spielverhalten auf. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Angebote sind permanent verfügbar, der Bezug zum realen Geld geht verloren und eine soziale Kontrolle fehlt. Eine neue Analyse vom GREA (Groupement romand des addictions) und Sucht Schweiz zeigt, dass überdurchschnittlich viele jüngere Personen, Menschen mit einem niedrigen Einkommen oder einem tieferen Bildungsabschluss ein problematisches Spielverhalten zeigen. Nadia Rimann, Programmleitung von Spielen ohne Sucht, erklärt:
“Sie sind besonders empfänglich für den Lockruf vom schnellen und grossen Gewinn – und die Werbung spricht sie gezielt an. Wir wissen aber auch, dass Glücksspielsucht in allen gesellschaftlichen Gruppen vorkommt.”
Problematisch Spielende zahlen die Hälfte aller Einsätze
Zudem sind bestimmte Spielarten besonders riskant: Spielende von Online-Casinos, Sportwetten und Finanzmarktwetten zeigen ein überdurchschnittliches Risiko. Bei Lotterien und Rubbellosen ist der Anteil an problematisch Spielenden deutlich geringer. Da sie jedoch stark verbreitet sind, ist ihre Anzahl nicht zu unterschätzen. Bemerkenswert ist, dass die rund 10 Prozent problematisch Spielenden für die Hälfte aller Spieleinsätze verantwortlich sind. In der Schweiz zeigen rund 192’000 Personen ein solches problematisches Spielverhalten. Ein kleiner Teil davon gilt als spielsüchtig – mit oft verheerenden Konsequenzen: Neben Spielschulden, körperlichen und psychischen Beschwerden hat eine Spielsucht häufig auch schwerwiegende Folgen für das Familien- oder Berufsleben.
Beispiel Gratisspiele: Gefördert durch Digitalisierung
Die finanzielle Problematik beschränkt sich nicht nur auf Online-Glücksspiele. So wächst parallel bspw. der Markt von “Free-to-Play”-Video-Games auf dem Smartphone rapide. In „Pay-to-Win“-Spielen, einer bestimmte Form von Free-to-Play-Spielen, können durch Einkäufe bspw. spielerische Vorteile erworben werden. Nadia Rimann sieht in dieser Entwicklung viele Parallelen: “Unsere Untersuchungen zeigen, dass, egal welcher Markt, die Mechanismen der Spiele zu einem ähnlichen Verhalten führen. So überrascht es nicht, dass auch bei den Gratisspielen ein kleiner Teil Spielende den grossen Anteil am Kuchen berappt: Rund 10% der Spielenden sind gemäss der Studie für über 60% der Ausgaben verantwortlich.
Kantone reagieren mit Kampagne
Auch um auf die Entwicklungen rund um Covid-19 zu reagieren, lanciert das interkantonale Programm Spielen ohne Sucht im Auftrag von 16 Deutschschweizer Kantonen und das Fürstentum Liechtenstein heute eine Sensibilisierungskampagne mit Fokus auf das Online-Glücksspiel. Dazu Martina Gadient (Fachbereichsleiterin Sucht des Kanton St.Gallen): “Bei vielen Spielenden zeigt sich, dass sie bereits in jungen Jahren erstmals mit den Glücksspiel-Angeboten in Kontakt kamen. Für eine effektive Prävention wollen wir daher auch bewusst ein jüngeres Publikum ansprechen.” Für Betroffene und Angehörige steht via www.sos-spielsucht.ch ein kostenloses und anonymes Beratungsangebot zur Verfügung.