In Zeiten des gesellschaftlichen und technologischen Wandels stellt sich umso mehr die Frage, welche Kompetenzen die Schule den Kindern und Jugendlichen vermitteln soll, um sie bestmöglich auf ihr Leben in der Zukunft vorzubereiten – und wie Lehrpersonen auf diese Aufgabe vorbereitet werden können. Die PHSG nimmt sich dieser Fragen proaktiv an.
Wie die Welt von morgen aussehen wird, ist in vieler Hinsicht ungewiss. Entsprechend bedeutsam ist für uns als Lehrerinnen- und Lehrerbildungsinstitution die Frage nach den künftig notwendigen Kompetenzen von Kindern, die heute zur Welt kommen und die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts prägen werden. Was müssen wir ihnen beibringen, damit sie als Erwachsene zur selbstständigen, verantwortungsvollen und aktiven Teilhabe im demokratischen Gesellschaftswesen sowie zur Meisterung der sich ihnen stellenden Aufgaben fähig sind?
Während uns diese Gedanken vor wenigen Jahren noch in weit entfernter Zukunft erschienen, haben uns die Konfrontationen der vergangenen Monate mit künstlicher Intelligenz erfahren lassen, dass die Zukunft bereits die Gegenwart berührt. So stellt sich schon jetzt die Frage, was denn jene Kompetenzen und Eigenschaften sind, die den Menschen auszeichnen, wenn künstliche Intelligenz eine Vielzahl an herkömmlichen Tätigkeiten in Zukunft besser als er oder sie selbst ausführen kann. Neben der bedeutsamen Beherrschung der Kulturtechniken (Erstsprache, Fremdsprachen, symbolische Sprache, digitale Sprache) umfassen aktuell und zukünftig erforderliche Kompetenzen insbesondere ein soziales, ökologisches, politisches und wirtschaftliches Urteils- und Handlungsvermögen – Fähigkeiten also, wofür die Eigenständigkeit und Beweglichkeit im Denken im Sinne des Erkennens komplexer Zusammenhänge und Findens wirksamer Lösungen Grundlage ist. Ergänzend bedarf es der Bereitschaft und Fähigkeit, dem Wandel mit Neugierde gegenüberzutreten, Unsicherheiten auszuhalten, Misserfolge resilient aufzuarbeiten, diese als Lerngelegenheiten zu nutzen und damit verbunden sich proaktiv weiterzubilden.
Dabei sind die Kompetenzen, soziale Verantwortung zu übernehmen und ein empathisches Verständnis im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen zu entwickeln ebenso zentral wie die Befähigung, Informationen zu interpretieren, zu hinterfragen und zu einem umfassenden Gesamtbild zusammenzufügen. Mit dem Bemühen einer weitsichtigen Vorbereitung nachfolgender Generationen auf die Bewältigung ihrer zukünftigen Aufgaben geht die Notwendigkeit einher, Schule und Unterricht kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Hierbei stehen Lehrpersonen in der Arbeit mit ihren Lernenden in besonderer Verantwortung. Um dieser gerecht zu werden, müssen sie auch in Zukunft über eine breite und solide Basis fundierten Wissens und Könnens in den Unterrichtsfächern und deren Didaktik sowie den bildungswissenschaftlichen Grundlagen verfügen. Zudem dürfte es angesichts des rasanten Zuwachses an neuen Erkenntnissen immer bedeutungsvoller werden, valide Inhalte zu identifizieren sowie forschungsbasierte Weiterentwicklungen zu kennen und im eigenen Handeln umsetzen zu können. Dies wiederum bedingt die Fähigkeit der Entwicklung der eigenen und der schulischen Expertise. Neben der Möglichkeit zur Selbstregulation und der Reflexion des eigenen Wirkens müssen Lehrpersonen auch über die Bereitschaft und Methoden zur Arbeit in professionellen Netzwerken verfügen. Schliesslich bedarf die Arbeit zunehmender Expertise bei der Mitwirkung an Bildungsinnovationen. Hierbei gilt es, die fortdauernden Entwicklungen im Auge zu behalten, neue Ideen zu generieren und Prozesse kreativ umzusetzen.
All diese Fähigkeiten und Anforderungen dienen gänzlich der Kernarbeit von Lehrpersonen, wirksamen und entwicklungsunterstützenden Unterricht durchzuführen. Um die angehenden Lehrpersonen in Zukunft noch wirksamer auf deren Berufsaufgaben vorzubereiten, hat die Pädagogische Hochschule St. Gallen (PHSG) einen Prozess der Weiterentwicklung angestossen. Im mehrjährigen Projekt «Weiterentwicklung der Führungs- und Organisationsstruktur» (WEFO) legt sie die Grundsteine für die Stärkung der Qualität und Nachhaltigkeit ihrer Studiengänge. WEFO liegen vier Kernelemente zugrunde: Erstens verfolgt das Projekt das Ziel der Stärkung der Lehrpersonenbildung mit Blick auf die Anforderungen an Lehrpersonen in den Schulen der Zukunft. Zweitens zielt WEFO darauf ab, die Zusammenarbeit der Expertinnen und Experten an der PHSG in Fach- und/oder Themenbereichen über die vier Leistungsbereiche (Ausbildung, Weiterbildung, Forschung & Entwicklung sowie Dienstleistungen) hinweg zu fördern und so in der gemeinsamen Auseinandersetzung professionelle Entwicklungen zu begünstigen. Drittens wird WEFO zu einer intensiveren Verbindung der Fragen aus der Praxis mit wissenschaftlichen Bearbeitungen führen und so die Lehre in der Aus- und Weiterbildung stärken. Und viertens soll WEFO Synergien zwischen den Studiengängen und deren Flexibilisierung mit Blick auf die Bedürfnisse und Erfordernisse der Studierenden unterstützen.
In der strukturellen Umsetzung von WEFO werden ab dem 1. September 2023 die Expertinnen und Experten nach spezifischen fachlichen und thematischen Schwerpunkten über alle Leistungsbereiche hinweg in neuen Organisationseinheiten zusammenarbeiten. Durch diese Expertisebündelung wird das leistungsbereichsübergreifende Denken und Zusammenarbeiten gestärkt und gewinnen die Organisationseinheiten an Innovationskraft, sodass sie ihre Rolle des fachlichen Motors der Lehrpersonenbildung noch besser wahrnehmen können.
Basierend auf der neuen Organisationsstruktur werden wir uns in einem nächsten Schritt der Weiterentwicklung der Studien- und Weiterbildungsangebote annehmen. Ziele hierbei sind, curriculare Inhalte und geltende Raum- und Zeiteinheiten zu überdenken und Angebote flexibler auf die Bedürfnisse und Erfordernisse der Studierenden und deren zukünftige Aufgaben auszurichten. Nach der Erstellung des strukturellen Fundaments wird somit durch den nächsten inhaltlichen Entwicklungsschritt das Potenzial von WEFO im Sinne einer (weiterhin) zukunftsgerichteten Lehrpersonenbildung an der PHSG zum Leben erweckt, damit die Absolvierenden auch künftig Kinder und Jugendliche verantwortungsvoll auf deren Erwachsenenleben vorbereiten können.
Prof. Dr. Horst Biedermann,
Rektor der Pädagogischen Hochschule St. Gallen