Corona bringt besondere Unsicherheiten in unsere Zeit. Wir sind gefordert und müssen lernen, mit dieser Unsicherheit umzugehen. Vertraute Verhaltensmuster müssen aufgegeben und neue Wege gefunden werden. Die deutsche Philosophin Natalie Knapp beschäftigt sich in ihren Arbeiten ebenfalls mit dem Thema Unsicherheit.
Unter anderem schreibt sie dazu:
«Unsicherheit sagt uns nicht, dass wir etwas falsch machen, sondern nur, dass sich in unserem Leben oder in unserer Kultur gerade etwas entwickelt, das wir noch nicht kennen und wofür wir noch keine Routine haben. Wenn wir uns unsicher fühlen, sind wir aufgefordert, einen ganz neuen Weg zu bahnen, und die Unsicherheit ist ein hilfreiches Gefühl, um sich Schritt für Schritt auf einem neuen Gelände voranzutasten.»
Wir leben in einer zunehmend komplexen Welt. Vieles ist mehrschichtig verwoben, Auswirkungen werden meist erst nach und nach erkannt. Auf der Suche nach Lösungen ist Expertenwissen oft mehr gefragt als gesunder Menschenverstand. Der eigenen Kreativität wird misstraut und die persönlichen Erfahrungen in Frage gestellt. Dennoch wird erwartet, dass jede Person in ihrer Aufgabe handlungs- und leistungsfähig ist und bleibt. Diesen Herausforderungen stehen wir alle gegenüber, besonders zeigen sie sich jedoch am Beispiel Schule mit den verschiedensten Anspruchsgruppen, die ihre Erwartungen auf das Lehrpersonal fokussieren.
In der aktuellen Ausgabe des Schulblatts Extra stellt sich der Beratungsdienst Schule des Kantons St.Gallen vor. Die Beraterinnen und Berater unterstützen Lehrpersonen, Schulleiterinnen und Schulleiter der öffentlichen Volksschule im ganzen Kanton. Sie beraten Einzelpersonen oder ganze Teams in besonderen Herausforderungen, bieten Coaching, Supervision und Mediation an.
Im Flyer des Beratungsdienstes findet sich der Satz «Beratung in Anspruch zu nehmen ist ein Zeichen von Stärke und Professionalität.» Oft scheuen wir uns, eine dritte Person zu Rate zu ziehen, da wir befürchten als schwach oder inkompetent abgetan zu werden. Viele von uns kennen die Situation, manchmal an Ort zu treten, sich im Kreis zu drehen und mit einer Frage nicht weiter zu kommen. Sich dann zu entscheiden, Beratung in Anspruch zu nehmen, zeugt von Professionalität. Damit schafft man die Gelegenheit, die eigene Arbeit zu reflektieren und Neues zu lernen.
In dieser komplexen und unsicheren Zeit können wir nicht alles wissen, sondern müssen ständig dazu lernen, damit wir den Anforderungen der aktuellen Zeit gerecht werden. Im Schulblatt Extra zum Beratungsdienst wird zurecht von der Schule als lernende Organisation gesprochen. Eine lernende Organisation hat nicht auf alle Fragen immer schon Antworten bereit.
Ich bin der Überzeugung, dass wir Unsicherheiten bei uns selber zulassen dürfen und sollen. Dabei kann eine offene Haltung gegenüber Anregungen von aussen hilfreich sein, um sich Schritt für Schritt in neues Gelände zu wagen. Lehrerinnen, Lehrer und Schulleitungen können sich beim Beratungsdienst Schule Unterstützung holen, damit sie leistungsfähig und gesund bleiben.
Ich kann Sie dazu nur ermutigen und wünsche Ihnen gutes Gelingen und viel Erfolg in Ihrer Arbeit.
Stefan Kölliker
Vorsteher des Bildungsdepartementes