Gabriel Narutowicz wurde 1922 zum ersten Präsidenten Polens gewählt. Der ehemalige Wasserbauingenieur verbrachte zuvor viele Jahre im Kanton St.Gallen und wurde 1895 in der Gemeinde Untereggen heimatberechtigt. Diesen Sonntag feiert Polen nun das Andenken an Gabriel Narutowicz in Untereggen und St.Gallen.
Die Geschichte Polens ist eng mit dem Kanton St.Gallen verwoben. Hier verbrachte Gabriel Narutowicz viele Jahre, bevor er 1922 zum ersten Präsidenten Polens gewählt wurde. Narutowicz liebte die Schweiz und ihre Natur. Und das, obwohl er als junger Migrant gesellschaftlich um Anerkennung ringen musste. Das Schweizerdeutsch soll er sehr gut beherrscht haben. 1895 wurde er in Untereggen heimatberechtigt und damit St.Galler Kantonsbürger.
Diesen Sonntag reist deshalb eine Delegation mit Andrzej Dera, dem Staatssekretär in der Kanzlei des Staatspräsidenten Polens, und der polnischen Botschafterin Iwona Kozłowska nach St.Gallen. Sie wird von Regierungspräsident Stefan Kölliker empfangen. Zusammen werden sie beim Gübsensee eine Gedenktafel für Gabriel Narutowicz enthüllen. Am späteren Nachmittag folgt dann die Enthüllung eines Gedenkbrunnens in der Gemeinde Untereggen. Die Feier zu Ehren von Gabriel Narutowicz endet abends in Rorschach. Mit dabei sind auch Ehrengäste aus Polen und der Schweiz.
Der Kanton St.Gallen ist geehrt und stolz, dass er über Gabriel Narutowicz eng mit der Geschichte Polens verbunden ist. Der Regierung ist es ein grosses Anliegen, diese Verbundenheit mit einem gemeinsamen Anlass zu würdigen und öffentlich zu feiern.
Vom Kuraufenthalt zum Wasserbauingenieur
Gabriel Narutowicz besuchte Schulen im Baltikum und reiste dann zu Studien nach St.Petersburg. Der gesundheitlich angeschlagene junge Mann vertrug die klimatischen Verhältnisse der Zarenstadt schlecht. Ein Kuraufenthalt in der Schweiz sollte helfen. Die Alpenrepublik wurde ihm zum Schicksal und zur zweiten Heimat. Er lebte 30 Jahre in der Schweiz, 17 Jahre im Raum St.Gallen.
Als ETH-Absolvent wurde Gabriel Narutowicz zu einem der besten Wasserbauingenieuren des Landes. Er hinterliess auch in der Ostschweiz bleibende und markante Spuren – etwa bezüglich der Rheinregulierung, der Steinachkorrektion in der Stadt St.Gallen oder, besonders sichtbar, beim Kraftwerk Kubel.
Zuerst die Wahl, dann der Tod
Während des Ersten Weltkriegs begann Gabriel Narutowicz sich intensiver mit der Politik zu beschäftigen. Wie bei vielen seiner Landsleute war ihm die Gründung eines unabhängigen polnischen Staates eine Herzensangelegenheit. Der Ausgang des Kriegs verschaffte der Nation die Chance, diesen Traum zu realisieren. Im Jahr 1920 kehrte Narutowicz nach Polen zurück.
Die charakterlichen und fachlichen Eigenschaften machten Gabriel Narutowicz zum idealen Kandidaten für ein Ministeramt in der jungen polnischen Republik. Das Land wies enormen infrastrukturellen Nachholbedarf auf. Gesellschaft und Politik waren stark polarisiert. Ein Mann vom Format Gabriel Narutowicz' schien als oberster Verantwortlicher für die sogenannten Öffentlichen Aufgaben am richtigen Platz. Später wechselte er ins Aussenministerium.
Am 9. Dezember 1920 wurde er schliesslich ins höchste Staatsamt gewählt. Er war der erste demokratisch gewählte Präsident einer tausendjährigen Nation. Bereits wenige Tage später fiel er einem nationalistisch motivierten Attentat zum Opfer.