Der ehemalige Hofgarten über dem heutigen Pfalzkeller gehört zu den in Vergessenheit geratenen Attraktionen der ehemaligen Fürstabtei St.Gallen. Zwei Jahrhunderte nach seinem Verschwinden wird dieser Ort nun durch einen neuen Klostergarten erheblich aufgewertet. Das Vorhaben ist eine Massnahme aus dem Managementplan UNESCO-Weltkulturerbe Stiftsbezirk St.Gallen.
In den kommenden Wochen erhält der Stiftsbezirk St.Gallen eine weitere Attraktion. Auf Initiative des Stiftsarchivs St.Gallen entsteht hinter dem Regierungsgebäude am Ort des ehemaligen Hofgartens ein neuer Klostergarten. Dieser wird realisiert unter der Leitung des Bau- und Umweltdepartementes mit Unterstützung der Hänni Garten- und Landschaftsarchitektur AG. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule am Burggraben sowie Lernenden des Berufsverbands Jardin Suisse Ostschweiz werden 40 Hochbeete in spiralförmiger Aufstellung mit rund hundert verschiedenen Kräuter- und Heilpflanzen bestückt. Dies in Anlehnung an die ursprüngliche barocke Anlage des ehemaligen Klosters St.Gallen.
Ort der Heilkunde und Biodiversität
Der international renommierte Gartenspezialist Remo Vetter übernimmt die Vermittlung des jahrtausendealten Wissens um die Wirkung von Heilpflanzen. Besucherinnen und Besucher sollen Einblick in ihre Bedeutung für die mittelalterliche Klostermedizin erhalten. Sitzgelegenheiten laden künftig zum Verweilen im Grünen vor dem barocken Gartenhaus ein, das Fürstabt Beda Angehrn wenige Jahre vor dem Untergang des Klosters zur Belebung von Körper und Geist erbauen liess. Für Jardin Suisse Ostschweiz ist es zudem eine Chance, einen neuen Lerngarten für Gärtnerinnen und Gärtner zu schaffen, der das Thema Biodiversität mit der historischen Gartenkultur und den Herausforderungen der Gegenwart verbindet.
Historische Bedeutung von Klostergärten
Klostergärten dienten der Selbstversorgung der Mönche mit Obst, Gemüse, Kräutern und Heilpflanzen. Für den Mönchsvater Benedikt, Gründer des Benediktinerordens, gehörte deshalb zu jedem Kloster neben Wasser und Mühle auch ein Garten. Vor allem der klösterliche Kräutergarten nahm als Heilmittellieferant wie auch für die tägliche Ernährung der Mönche eine sehr wichtige Stellung ein. Die Benediktinermönche gelten deshalb heute noch als Begründer des europäischen Gartenbaus.
Klostergarten in St.Gallen
Das erste Wissen für den Gartenbau im Kloster St.Gallen lieferten Mitbrüder von der Insel Reichenau. Der dort um 825 entstandene St.Galler Klosterplan der Stiftsbibliothek enthält erste Hinweise auf Inhalt und Positionierung von Gärten. Auf diesem Plan, der im Ausstellungssaal des Stiftsarchivs im Original zugänglich ist, ist neben Obst- und Gemüsegarten auch ein Kräutergarten mit 16 Beeten eingezeichnet. Im 17. Jahrhundert entstand im nordöstlichen Teil des Klosterbezirks anstelle von Nutzgärten der «Fürstliche Garten», ein barocker Ziergarten mit einer Brunnengrotte. Ein Hof- und Lustgärtner kümmerte sich um den Unterhalt dieser Gartenanlage, die später um eine Orangerie ergänzt wurde. Die Geschichte dieses Gartens wird derzeit im Stiftsarchiv aufgearbeitet.