Im Kanton St.Gallen besteht eine restriktive Praxis bei der Bewilligung von privatem Einzelunterricht (Homeschooling). Der zuständige Bildungsrat hat nun erstmals Gesuche von Eltern gutgeheissen, welche ihre Kinder zuhause beschulen möchten. Die Bewilligung ist an verschiedene Auflagen gebunden. Mit diesen sollen insbesondere die ausreichende Grundschulung der Kinder und die Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit gewährleistet bleiben.
Das Volksschulgesetz erlaubt grundsätzlich den privaten Einzelunterricht (Homeschooling), unterstellt ihn aber der Bewilligungspflicht durch den Bildungsrat. Der Bildungsrat muss gemäss Volksschulgesetz den privaten Einzelunterricht bewilligen, wenn ein der öffentlichen Schule gleichwertiger, auf Dauer angelegter Unterricht gewährleistet ist und dieser von Personen erteilt wird, welche dafür eine ausreichende Ausbildung aufweisen. Als weitere Voraussetzung für eine Bewilligung von privatem Einzelunterricht muss die Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit sichergestellt sein.
Das Verwaltungsgericht hat die Praxis des Bildungsrats bei der Beurteilung der Frage, wann die Voraussetzung der Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit erfüllt ist, als zu streng beurteilt. Es hat den Bildungsrat deshalb aufgefordert, die Erfüllung dieser Voraussetzung in drei Fällen erneut zu prüfen.
Sozial- und Selbstkompetenz sicherstellen
Die Erziehung der Kinder zu gemeinschaftsfähigen Menschen ist ein zentrales Anliegen der Volksschule. Eine Isolierung im Rahmen des privaten Einzelunterrichts ist nicht im Interesse der Kinder. Privater Einzelunterricht rückt tendenziell die intellektuelle Förderung in den Vordergrund und vernachlässigt die Entwicklung der Sozial- und Selbstkompetenz. Für nachhaltige Beziehungen zu anderen Kindern und Erwachsenen ist das aber sehr wichtig.
Der Bildungsrat ist dabei der Auffassung, dass allein die Teilnahme an Freizeitaktivitäten und anderen ausserschulischen Aktivitäten zusammen mit anderen Kindern nicht genügt, um die Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit sicherzustellen. Diese Aktivitäten sind einerseits entgegen dem Unterricht in der Volksschule freiwilliger Natur und selbst gewählt. Sie stellen andererseits nicht die gleichen Anforderungen an soziale Fähigkeiten wie Rücksichtnahme und Toleranz, wie dies der obligatorische Unterricht in der Volksschule oder in einer Privatschule tut.
Zwei Drittel der Unterrichtszeit in Gruppen
Die erwähnten Gesuche um Bewilligung von privatem Einzelunterricht stützen sich auf das Konzept «Durchführung von privatem Gruppenunterricht im Kanton St.Gallen» des Vereins Homeschooling St.Gallen ab, welches Unterricht nicht nur zuhause, sondern auch in Lerngruppen vorsieht. Zur Sicherstellung der Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit hat der Bildungsrat die Bewilligung der Gesuche mit der Auflage verbunden, dass der Lerngruppenunterricht wenigstens 70 Prozent der Unterrichtszeit umfasst. Die Lerngruppen müssen dabei pro Schulzyklus mindestens drei Kinder umfassen. Der Unterricht in den Lerngruppen muss durch Personen mit einem anerkannten Lehrdiplom für den entsprechenden Zyklus erfolgen.
Befristete Bewilligung
Wie die Privatschulen steht auch der private Einzelunterricht unter staatlicher Aufsicht. Für die Bewilligung und die Aufsicht von privatem Einzelunterricht wendet der Bildungsrat die gleichen Grundsätze an wie bei Privatschulen. Demnach wurde der private Einzelunterricht für die betreffenden Kinder zunächst befristet auf zwei Jahre erteilt. Während dieser Zeit prüft die Schulaufsicht mit angemeldeten und unangemeldeten Besuchen, ob die Voraussetzungen für den privaten Einzelunterricht nachhaltig erfüllt werden. Ist dies der Fall, kann nach Ablauf der Befristung auf erneutes Gesuch eine unbefristete Bewilligung erteilt werden.