Die Gemeinden sollen vermehrt autonom entscheiden, welche Integrationsmassnahmen für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene geeignet sind. Weil die Finanzierung durch Bundesmittel erfolgt, müssen sie sich weiterhin an den Vorgaben des Bundes orientieren. Der entsprechende Nachtrag zum Sozialhilfegesetz ist in der Vernehmlassung grossmehrheitlich auf Zustimmung gestossen. Die Regierung leitet die Vorlage dem Kantonsrat zu.
Im Rahmen eines VI. Nachtrags zum Sozialhilfegesetz (sGS 381.1; abgekürzt SHG) soll die Finanzierung von Integrationsmassnahmen für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene (FL/VA) neu geregelt werden. Derzeit müssen sich die Gemeinden bei der Wahl geeigneter Sprachkurse, beruflicher Weiterbildungen und anderer Integrationsmassnahmen mehrheitlich an Listen halten, die das kantonale Amt für Soziales erstellt. Neu sollen sich die Gemeinden nicht mehr an diese Listen halten müssen, sondern selber entscheiden, welche Angebote für FL und VA geeignet sind. Damit soll die Auswahl und Umsetzung von passenden Massnahmen administrativ vereinfacht werden. Die Gemeinden müssen sich bei der Wahl von Massnahmen an Vorgaben des Bundes orientieren, weil es sich bei den Integrationspauschalen (IP) um Bundesmittel handelt, die der Kanton an die Gemeinden gemäss der jeweiligen Anzahl FL/VA verteilt.
Aufsicht über die Mittelverwendung ist sichergestellt
Teil der Gesetzesvorlage ist eine Vereinbarung zwischen dem Kanton und der Vereinigung St.Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten (VSGP), welche die kommunalen und kantonalen Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche im Detail klärt. Das Departement des Innern übt eine kantonale Aufsicht über die Mittelverwendung aus. Die kantonale Fachaufsicht fokussiert sich auf die Überprüfung der Rechtmässigkeit. Diese ergänzt die Aufsicht durch die Geschäftsprüfungskommission (GPK) der jeweiligen Gemeinde. Bisher bestand keine nachträgliche kantonale Aufsicht, weil der Kanton durch das Führen von Listen refinanzierbarer Integrationsangebote seine Kontrollfunktion im Wesentlichen im Voraus ausübte. Werden Mittel nicht korrekt verwendet, ist die Gemeinde zur Rückzahlung von Beiträgen verpflichtet. Das Bereitstellen von Hilfsmitteln, etwa eine Liste von möglichen Integrationsmassnahmen und Anbietenden, übernimmt neu die VSGP bzw. der kommunale Trägerverein Integrationsprojekte St.Gallen (TISG).
Geringfügige Anpassungen nach der Vernehmlassung
Zum Gesetzesnachtrag wurde von Ende Mai bis anfangs Juli eine Vernehmlassung durchgeführt. Die Vereinfachung der Zuständigkeiten ist bei der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden auf Zustimmung gestossen, insbesondere bei den Gemeinden, die durch die VSGP an der Erarbeitung beteiligt waren. Die Konformität mit den Bundesvorgaben wurde schon im Vorfeld der Vernehmlassung in Abstimmung mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) sichergestellt.
Vereinzelt wurde in der Vernehmlassung verlangt, dass die Gemeinden die Möglichkeit erhalten sollen, höhere Kosten für Personal- und IT-Aufwendungen über die IP zu finanzieren. Die Regierung lehnt dies aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem Umfang solcher Aufwendungen ab und hält am Höchstwert von 5 Prozent der IP-Summen fest, mit der Option diesen Wert nur in begründeten Fällen zu überschreiten. Seitens von Nichtregierungsorganisationen (NGO), die auch Anbietende von Integrationsangeboten sind, wird unter anderem die Rolle der VSGP und des TISG kritisch beurteilt, weil letzterer Listen von Integrationsmassnahmen im Auftrag der Gemeinden zusammenstellen wird und gleichzeitig selber Integrationsmassnahmen anbietet. Die NGO befürchten, dass der TISG die Angebotslandschaft damit aktiv steuern könnte. Dazu ist festzuhalten, dass die Liste künftig ein Hilfsmittel und für die Gemeinden nicht verbindlich sein soll. Diese haben sich an das Vergaberecht zu halten. Zudem wird die Liste den Bundesvorgaben entsprechen und sich an den Bedürfnissen der Gemeinden orientieren. Im Rahmen seiner strategischen Gesamtverantwortung im Bereich Integration wird der Kanton im Übrigen die Entwicklung der Angebotsvielfalt im Auge behalten. Die Regierung hält aber an den in der Vernehmlassung dargelegten Grundzügen der neuen Regelung fest; die Vorlage wurde in einigen Passagen aufgrund von Vernehmlassungsantworten leicht angepasst.
Um eine Umsetzung der neuen Lösung per 1. Dezember 2022 zu ermöglichen, soll der Kantonsrat den VI. Nachtrag zum Sozialhilfegesetz in der Septembersession in 1. und 2. Lesung beraten. Die Erarbeitung geht auf einen Auftrag der Vorberatenden Kommission des Kantonsrates zum Bericht «Integrationsagenda St.Gallen» (40.19.02) zurück. Demnach sollen Prozesse und Zuständigkeiten angepasst werden, um den Gemeinden die nach Bundesrecht grösstmöglichen Kompetenzen und Aufgaben zuzuteilen.
Die Vorlage ist im Ratsinformationssystem unter der Geschäftsnummer 22.22.16 abrufbar.