Der Bund gewährt einzelnen Gemeinden beziehungsweise den dort angesiedelten Firmen Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer, um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit einzelner Regionen zu stärken, regionale Nachteile abzubauen und Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten zu schaffen. Im Zuge der periodischen Überprüfung der entsprechenden Liste droht zahlreichen St.Galler Gemeinden der Verlust dieses Vorteils. Dagegen wehrt sich die Regierung beim Bund.
Steuererleichterungen sind für die Kantone ein wichtiges Instrument, um den Bestand von bereits ansässigen Unternehmen zu pflegen und gleichzeitig neue Betriebe aus dem In- und Ausland von der Eröffnung eines Standorts zu überzeugen. Dieser Tatsache ist sich der Bundesrat bewusst. Er gibt ausgewählten Gemeinden auf Basis eines im Jahr 2016 festgelegten Indikatorenmodells die Möglichkeit, für Firmen Erleichterungen bei der direkten Bundessteuer zu beantragen. Im Vordergrund steht dabei die Ansiedelung von industriellen Unternehmen.
Seit dem Jahr 2016 können 16 St.Galler Gemeinden dieses Instrument für Firmen beanspruchen. Pro Jahr wurden aus dem Kanton St.Gallen zwischen einem und drei Gesuche gestellt.
Pläne des Bundes: St.Gallen verliert am meisten
Im Zuge der periodischen Überprüfung der Anwendungsgebiete läuft der Kanton St.Gallen nun Gefahr, zum grossen Verlierer zu werden. So sollen die ganze Seeregion, grosse Teile im Fürstenland (Oberbüren, Oberuzwil) sowie Teile des Toggenburgs (Kirchberg, Bütschwil-Ganterschwil) ihren Status verlieren. Insgesamt sollen 11 von bisher 16 St.Galler Gemeinden aus dem Förderperimeter ausscheiden. Zu den grössten Gewinnern gehören demgegenüber die Kantone in der West- und Südschweiz, wobei ein Teil der neu geförderten Gemeinden die Charakteristika eines Weinbaugebietes aufweisen und sich kaum für industrielle Ansiedelungen eignen.
Regierung fordert dringende Überarbeitung des geplanten Förderperimeters
Die St.Galler Regierung kritisiert die Ergebnisse der vorliegenden Neubeurteilung. Im Rahmen des laufenden Anhörungsverfahrens fordert sie eine dringende Überarbeitung des Indikatorenmodells und pocht dabei auf die Einhaltung der ursprünglichen Zielsetzung des Instruments. Es ist nach Ansicht der Regierung von entscheidender Bedeutung, dass bei der Festlegung der Anwendungsgebiete in erster Linie Gemeinden berücksichtigt werden, die über genügend Flächen sowie Potenzial für eine industrielle Entwicklung verfügen. Die Regierung bezweifelt in ihrem Antwortschreiben an den Bundesrat, ob dieses Kriterium bei den neu in den Förderperimeter aufgenommenen Gemeinden (beispielsweise in den Kantonen Waadt oder Schaffhausen) erfüllt ist.
Im Austausch mit St.Galler Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern
Der Bund plant, den neuen Förderperimeter am 1. August 2022 in Kraft zu setzen. Dies sei zu kurzfristig, kritisiert die St.Galler Regierung. Es ermögliche es den Kantonen nicht mehr, betroffenen Firmen die Änderung fristgerecht und angemessen zu kommunizieren. Auch bereits gefällte Investitionsentscheide, die unter anderem unter Berücksichtigung in Aussicht gestellter Steuererleichterungen gefällt wurden, könnten so kurzfristig nicht mehr überdacht oder angepasst werden.
Sollte das Indikatorenmodell nicht überarbeitet werden, braucht es nach Ansicht der Regierung für die betroffenen Gemeinden zwingend Übergangsfristen von mindestens zwei Jahren. Grundsätzlich stellt sich die Regierung auf den Standpunkt, die Anpassung des Förderperimeters bis auf weiteres zurückzustellen, bis die von der OECD beschlossene Steuerreform, die alle Konzerne mit einem weltweiten Mindestumsatz von 750 Millionen Euro mit mindestens 15 Prozent besteuern will, umgesetzt ist. Auch dieses Projekt stellt den Bund wie auch die Kantone vor grosse Herausforderungen.
Um ihren Forderungen in Bern Gehör zu verschaffen, hat sich die Regierung mit den St.Galler National- und Ständeräten ausgetauscht und ihre Position dargelegt.