Am Mittwochabend fand im Kinok in St.Gallen die Preisverleihung des dritten Treatment-Wettbewerbs des Amtes für Kultur statt. Ausgezeichnet und gewürdigt wurden vier Filmideen sowie deren Autorinnen und Autoren. Für die Weiterbearbeitung des Filmstoffs zu einem Treatment, eine Vorstufe des Drehbuchs, erhalten die Preisträgerinnen und Preisträger je 15'000 Franken.
«Gorra», «Nyai», «Rivaun», «Tut quei ch'ei piars» heissen die geheimnisvoll anmutenden Titel der vier Geschichten, welche die Filmkommission des Kantons St.Gallen aus 26 Eingaben aufgrund ihres Potenzials für einen kurzen oder langen Film im Wettbewerbsverfahren ausgewählt hat. Die Filmkommission betonte an der Preisverleihung die durchwegs gute Qualität der eingegangenen Dossiers und zeigte sich entsprechend erfreut über die Wahl der Preisträgerinnen und Preisträger. Ausgezeichnet wurden Giancarlo Moos aus Zürich sowie die drei Autorenteams Stefanie Inhelder aus Biel und Marsya Mohd Johari aus Penang (Malaysien), Karin Heberlein aus Zürich und Claudia Pütz aus Bonn sowie Pascal Hofmann und Benny Jaberg aus Zürich.
Komödie, Drama und Experimentalfilm
Ernsthaft und leichtfüssig zugleich nähert sich Giancarlo Moos in seiner Geschichte «Gorra» – was so viel wie Magenknurren im Montlinger Dialekt heisst – gleich mehreren grossen Themen unserer Zeit, indem er seinen Hauptprotagonisten Oswaldo, einen Auslandschweizer, auf Spurensuche ins Rheintal schickt. Dort findet er Unerwartetes über seine Vorfahren heraus, trifft auf unbekannte Verwandte und überrascht seine Heimatgemeinde mit einer neuen Idee.
Ebenfalls zu einem Drehbuch für einen Spielfilm heranwachsen soll «Rivaun», die Filmidee von Karin Heberlein und Claudia Pütz. Sie erzählen die Geschichte der 12-jährigen Mila, die zusammen mit ihrer Familie am Walensee oder eben am Lag Rivaun, wie ihn die Rätorromanen nennen, wohnt und dort ohne ihren Vater aufwächst. Der See ist nicht nur Schauplatz, sondern eine eigenständige Figur in der Geschichte. Er ist der ruhende Pol, in ihm spiegeln sich die Wünsche, Sehnsüchte und Gefühle der Menschen, bis er unerwartet, vom Wind angetrieben, aufbegehrt und alle in ihre Schranken weist.
In «Nyai» geht es um die Suche nach der verloren gegangenen Spur der Südchinesin Anne Lak. Sie war die Nyai, die Haushälterin und Gefährtin von Plantagenassistenten Willhelm Inhelder aus Sennwald auf Sumatra. Gemeinsam haben sie drei Kinder. Doch als Inhelder nach einem Aufenthalt in der Schweiz mit einer neuen Frau zurückkehrt, verlieren sich die Spuren von Anne Lak und der gemeinsamen Tochter. Das Filmprojekt setzt an diesem Punkt an und das Autorenteam macht sich auf die Suche nach den verschwundenen Frauen.
Auch Pascal Hofmann und Benny Jaberg folgen den Spuren einer historischen Figur. Sie rekonstruieren das Leben des Sagogner Tes Cavelti, der sich Ende des 19. Jahrhunderts in einer Spinnerei im Toggenburg verdingt hat. Nach dem Tode seiner Frau verliert er den Boden unter den Füssen und verändert sich: Er trägt fortan Frauenkleider, schnitzt sich zwei Puppen aus Holz und behandelt diese wie seine Kinder. Die Behörden lassen Tes aufgrund ihrer «Andersartigkeit» und Mittellosigkeit entmündigen und schliesslich in die Psychiatrie zwangseinweisen.
Förderung von Stoffen und Drehorten des Kantons St.Gallen
Die Fördermöglichkeiten für Drehbuchschreibende in der Schweiz sind begrenzt, vor allem seit der Bund die Treatmentförderung eingestellt hat. Damit spannende Filme aber entstehen können, braucht es nicht selten eine mehrmonatige Entwicklungszeit, bis schliesslich das fertige und zufriedenstellende Drehbuch vorliegt. Marcel Gisler, der aus Altstätten stammende Regisseur, betonte an der Preisverleihung nochmals die Wichtigkeit solcher Fördermöglichkeiten, gerade in einer frühen Phase der Filmentwicklung.
Hier setzt die Filmkommission des Kantons St.Gallen an und führt seit 2019 alle zwei Jahre den Treatment-Wettbewerb durch. Damit fördert sie insbesondere auch die Attraktivität des Kantons bezüglich der Auswahl von Stoffen und Drehorten. Erste Filme aus dieser Förderung werden noch erwartet. Bereits weit fortgeschritten ist das 2019 ausgezeichnete Projekt «Die Verlorene» über die St.Galler Kindsmörderin Frieda Keller. «Friedas Fall», so der aktuelle Titel, befindet sich in der Herstellungsphase und soll im kommenden Jahr Premiere feiern.
Vorführung geförderter Filme
Anlässlich der Preisverleihung am 12. Januar 2022 zeigte das Kinok zwei von der kantonalen Filmförderung unterstützte Kurzfilme. Dies sind einerseits der mehrfach preisgekrönte Animationsfilm «Average Happiness» von Maja Gehrig sowie der kurze Spielfilm «Saitenstich» der jungen St.Galler Regisseurin Raphaela Wagner aus Wartau, der mit der Vorführung im Kinok seine Schweizer Premiere feierte.