Die nächste Preisverleihung der St.Gallischen Kulturstiftung geht am 25. Mai 2022 im Palace in St.Gallen über die Bühne. Einen Förderpreis in der Höhe von 10'000 Franken erhält der St.Galler Figurenspieler und Regisseur Sebastian Ryser. Zwei Anerkennungspreise von je 15'000 Franken gehen an den Rorschacher Lokalhistoriker Otmar Elsener und an die bildende Künstlerin Harlis Schweizer.
Sebastian Ryser, Jahrgang 1991 und in St.Gallen aufgewachsen, ist Figurenspieler und Regisseur. Er wird für sein innovatives Schaffen im Bereich des zeitgenössischen Figurentheaters in Kombination mit neuen Medien mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Er greift als Regisseur gesellschaftsrelevante Themen wie die Klimakrise oder Gender-Performativität auf, übersetzt sie in hochstehende, zuweilen radikale Puppentheaterstücke für Erwachsene und bereichert so die freie Schauspielszene der Ostschweiz und darüber hinaus. Schon vor dem Studium der zeitgenössischen Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin wirkte Ryser in Stücken mit. Sein Debüt als Regisseur erfolgte 2014 mit «Ente, Tod und Tulpe», einem Kinderstück über das Sterben, in dem er Puppenspiel mit Filmprojektionen kombinierte. Das gekonnte Verweben dieser alten Ausdrucksform mit neuen Medien zeichnet Sebastian Rysers Schaffen aus – so auch in seinem neusten Stück, der ebenso humorvollen wie entlarvenden Inszenierung «Romeo & Julia», die im September im Figurentheater St.Gallen uraufgeführt wurde. Ryser ist Mitbegründer des Kollektivs E0B0FF, das in unterschiedlichen Konstellationen Theater- und Tanzproduktionen realisiert.
Die Stadt Rorschach ist mehr als die Endstation in Mani Matters Eisenbahn-Lied. Dies belegt Otmar Elsener in seinen Büchern und Beiträgen im St.Galler Tagblatt oder in den Jahresheften des Kulturhistorischen Vereins Rorschach. Otmar Elsener, ein pensionierter Stickereifachmann mit Jahrgang 1934, ist an diesem Ort aufgewachsen. Er schildert, was Rorschach mit Bundesräten und Päpsten, englischen und amerikanischen Armeefliegern und New Yorker Stickereibaronen am Hut hatte; er berichtet von einer kleinen Staatsaffäre, welche in Bern durch einen mutigen Brief von Rorschacher Sekundarschülerinnen ausgelöst wurde. Da war stets viel grosse Welt in der kleinen Stadt. Mindestens so wichtig wie solch glorreiche Geschichten sind dem Autor die kleinen Erinnerungen aus dem Alltag der Leute. Er schreibt über Arbeiterkinder, die für die Roco-Konserven in Heimarbeit Bohnen fädelten, und vom Brüllen des Viehs in den Metzgereien, das dank eines Schlachthofs an den Stadtrand verschwand. Elsener erzählt die Geschichte des 20. Jahrhundert in dieser alten Industriestadt in einer Art, welche über normale Lokalhistorie hinausgeht. Wegen seiner Liebe zum Detail und der literarischen Qualität ist Elseners Werk exemplarisch: Baustein einer Geschichte des Schweizer Alltags.
Harlis Schweizer Hadjidj, geboren 1973 in St.Gallen, hat den Vorkurs an der Schule für Gestaltung in St.Gallen absolviert, an der Ecole de Décors de Théâtre in Genf studiert und war als Theatermalerin tätig. Seit 1996 ist sie freischaffende Künstlerin mit diversen Werkaufenthalten in Frankreich und Algerien. Heute lebt sie in Bühler und unterhält Ateliers in Strahlholz/Gais, Zürich, Lausanne und St.Gallen. Als Künstlerin im Bereich bildende Kunst nimmt sie regelmässig an Ausstellungen teil und führt Kunst-am-Bau-Projekte aus. Daneben unterrichtet sie in verschiedenen Klassen der Unter- und Mittelstufe das Fach Gestaltung, leitet Malateliers und organisiert Malworkshops. Mit Projekten wie «Büro als Ölgemälde», bei dem die Malerin im Auftrag des Kantons St.Gallen 18 Büros der kantonalen Verwaltung bildhaft festhielt, dem Outdoor-Projekt «Passage», das sie Anfang 2021 während des Lockdowns in Bühler durchführte, oder mit der internationalen Ausstellung «Hidden flowers bloom most beautifully», die sie als Mitglied des Kollektivs «Streunender Hund» mitorganisierte, werden ihre Qualitäten als genaue Beobachterin, als zeitgenössische Zeitzeugin sowie als innovative Kunst- und Kulturvermittlerin deutlich. Sie wird dafür mit einem Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung ausgezeichnet.
St.Gallische Kulturstiftung
Die St.Gallische Kulturstiftung zeichnet mit der Vergabe von Förder-, Anerkennungs- und Kulturpreisen besondere Leistungen aus. Dabei legt der Stiftungsrat Wert auf die Berücksichtigung verschiedener Regionen und Themen. Das Spektrum reicht vom Brauchtum bis zur Wissenschaft, von der bildenden Kunst bis zum Naturschutz. Neben diesen jährlich vergebenen Preisen wird alle drei Jahre der «Grosse Kulturpreis der St.Gallischen Kulturstiftung» verliehen. Dies war im Dezember 2019 mit dem Preisträger Martin Schläpfer, Choreograf, Ballettdirektor und Tänzer, der Fall. Der nächste Grosse Kulturpreis wird im Herbst/Winter 2022 verliehen.
Seit Juni 2020 setzt sich der Stiftungsrat der St.Gallischen Kulturstiftung wie folgt zusammen: Barbara Schlumpf, Uznach (Präsidentin), Regierungsrätin Laura Bucher, St.Margrethen (Vizepräsidentin), Adrian Scherrer, Grabs (Vizepräsident), Hans Bärtsch, Mels, Thomas Birri, Berg, Meinrad Gschwend, Altstätten, Nina Keel, St.Gallen, Claudia Reeb, St.Gallen, Katrin Schulthess, Grabs, Christian Spoerlé, Ebnat-Kappel, Brigitte Wiederkehr, St.Gallen, sowie Tanja Scartazzini, Leiterin Amt für Kultur, mit beratender Stimme. Die Geschäftsstelle hat das Amt für Kultur Kanton St.Gallen inne.