Der Kanton hat in einem Bericht seine Angebotsplanung für Wohn- und Tagesstrukturangebote für erwachsene Menschen mit Behinderung erneuert. Der Blick zurück über die letzten vier Jahre zeigt, dass Bewährtes fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig soll die Finanzierung künftig ermöglichen, das Angebot noch stärker auf die individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung auszurichten.
Für erwachsene Menschen mit Behinderung gibt es heute im Kanton St.Gallen verschiedene Wohn-, Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Der Kanton hat den Auftrag, dieses Angebot so zu gestalten und zu finanzieren, dass es dem Bedarf von Menschen mit Behinderung entspricht. Dieses stellt er nicht selber zur Verfügung, sondern arbeitet hierfür mit zahlreichen Stiftungen und Vereinen zusammen. Ein von der Regierung zu erstellender Bericht zeigt auf, wie sich der Bedarf entwickelt hat, welche gesellschaftlichen Einflüsse wirken und in welche Richtung sich das Angebot weiterentwickeln muss.
Das bestehende Angebot ist vielfältig und bedarfsgerecht
Aufgrund einer inklusiv gestalteten Untersuchung der Bedürfnisse der Nutzenden sowie des Angebots kommt der aktuelle Bericht zum Schluss, dass Menschen mit Behinderung im Kanton St.Gallen heute ein bedarfsgerechtes und vielfältiges Angebot vorfinden. Dieses hat sich in den letzten vier Jahren an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. So wurden zum Beispiel die Arbeitsangebote in ihrer Ausgestaltung vielfältiger und die Beschäftigungsangebote flexibler, zum Beispiel hinsichtlich Teilzeitarbeit, und die Wohnangebote individueller.
Zunahme im stationären Bereich und bei psychischen Behinderungen
Der Bericht stellt fest, dass mehr Menschen mit Behinderung in einem Heim leben – die Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner ist in den letzten drei Jahren um 5,5 Prozent gestiegen. Ein wichtiger Grund dafür ist die höhere Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung. Dadurch bleiben die Plätze länger belegt. Hinzu kommt eine wachsende Anzahl von Personen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf (z.B. herausforderndes Verhalten), die das System im stationären Bereich zusätzlich fordert. Ein Anstieg ist in den letzten Jahren auch bei der Anzahl Personen mit einer psychischen Behinderung feststellbar. Diese Menschen sind mit dem hohen Leistungsdruck im ersten Arbeitsmarkt oft überfordert und finden keine entsprechende Anstellung mehr. Der Bericht empfiehlt hier, spezialisierte Arbeits- und Beschäftigungsplätze für diese Zielgruppe in den nächsten Jahren weiter auszubauen.
Subjektorientierung wird weiter verstärkt
Aktuell fliesst das Geld für Leistungen für Menschen mit einer Behinderung ausschliesslich zu den Einrichtungen (sogenannte Objektfinanzierung). Mittelfristig soll sich die Finanzierung jedoch stärker am individuellen Bedarf von Menschen mit Behinderung ausrichten (sogenannte Subjektfinanzierung). Damit wird die Wahlfreiheit für ein unabhängiges und selbständiges Leben von Menschen mit Behinderung gestärkt und ein weiterer Schritt zur Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention gemacht. Die erforderlichen Grundlagen für diese Anpassung beim Finanzierungssystem werden in den nächsten Jahren geschaffen.
Einige Zahlen
- Rund 4'600 Menschen mit Behinderung nutzten im Jahr 2020 1'609 Wohnplätze und/oder 1'666 Arbeits- und 1'364 Beschäftigungsplätze.
- Hauptsächlich sind Menschen mit psychischer (43 Prozent) und mit geistiger (30 Prozent) Behinderung auf spezialisierte Betreuung angewiesen.
- 30 der 38 bewilligten Einrichtungen werden von anerkannten gemeinnützigen Stiftungen oder Vereinen geführt und haben mit dem Kanton eine Leistungsvereinbarung.
- Für Aufenthalte in St.Galler Einrichtungen wendet der Kanton rund 120 Millionen Franken und für solche in ausserkantonalen Einrichtungen rund 43 Millionen Franken jährlich auf. Ausserdem betragen die zusätzlichen Ausgaben des Kantons für die Ergänzungsleistungen bei IV-Rentnerinnen und IV-Rentnern in diesen Einrichtungen rund 61,5 Millionen Franken im Jahr.
Der Bericht «Angebote für erwachsene Menschen mit einer Behinderung im Kanton St.Gallen: Bedarfsanalyse und Planung für die Periode 2021 bis 2023» ist abrufbar unter www.soziales.sg.ch. Dort ist auch die Version in Einfacher Sprache und die Zusammenfassung in Leichter Sprache erhältlich. Somit haben auch Menschen mit tieferem Sprachverständnis oder mit einer Beeinträchtigung in diesem Bereich einen einfacheren Zugang zu Inhalten, die sie direkt betreffen.
Nachtragskredit für Einrichtungen für Menschen mit Behinderung
Mit Blick auf das Jahr 2020 ist nun zusätzlich eine besondere Regelung für die Einrichtungen für Menschen mit Behinderung nötig. Aufgrund der Covid-19-Epidemie sind zusätzliche Kosten sowie Ertragsausfälle entstanden, die bis anhin weder von Bund noch Kanton finanziert wurden. Die Regierung beantragt deshalb dem Kantonsrat auf der Basis der vorliegenden Jahresrechnungen einen Nachtragskredit in der Höhe von 2,3 Millionen Franken.