Um die Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Pflege zu verbessern, hat der Kanton St.Gallen den bestehenden Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft aus dem Jahr 1986 überarbeitet. Die Neuerungen treten am 1. Juli 2020 in Kraft und gehen punktuell weiter als die Modelllösung des Bundes.
Schätzungen zufolge arbeiten in der Schweiz rund 10'000 Care-Migrantinnen, die meist aus ihren Heimatländern in die Schweiz einreisen und während einigen Wochen eine gebrechliche Person in ihrem Zuhause betreuen. Nach dem Einsatz kehren sie in ihr Heimatland zurück, um ein paar Wochen später an den gleichen Arbeitsplatz zurückzukehren. Es wird angenommen, dass schweizweit rund 5'000 gebrechliche Personen nach diesem Modell betreut werden. Überträgt man die gesamtschweizerischen Verhältnisse auf den Kanton St.Gallen, so arbeiten rund 600 Migrantinnen in ungefähr 300 Haushalten. Die Arbeitsbedingungen der Frauen – insbesondere die langen Arbeitszeiten und die Nacht- und Sonntagseinsätze – gaben schon seit längerer Zeit Anlass zu Kritik.
Bund stellte Musterlösung zur Verfügung
Der Inkraftsetzung des neuen Normalarbeitsvertrags ging ein langer politischer Prozess voraus. Ausgelöst durch ein Postulat untersuchte der Bundesrat im Jahr 2014, wie der Schutz von Care-Migrantinnen verbessert werden kann. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) entwarf eine Vorlage für die Ergänzung der kantonalen Normalarbeitsverträge im Hausdienst, die den Kantonen für die Regelung von 24-Stunden-Betreuungsverhältnissen zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Modell-Normalarbeitsvertrag enthält unverbindliche Leitplanken für die Regelung der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmenden, die im gleichen Haushalt wie ihre Auftraggebenden leben und im Rahmen einer 24-Stunden-Betreuung hauswirtschaftliche Leistungen für gebrechliche Personen erbringen.
Optimierter Ansatz im Kanton St.Gallen
Der Kanton St.Gallen hat den Modell-Normalarbeitsvertrag des Bundes geprüft und sich schliesslich für eine eigene Lösung entschieden, die punktuell über die Vorschläge des Seco hinausgeht. So werden bei den 24-Stunden-Arbeitsverhältnissen alle Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmenden, die Hilfe und Unterstützung im Haushalt oder Betreuungsleistungen erbringen und dafür im Haushalt der betreuten Person wohnen, den entsprechenden Bestimmungen im Normalarbeitsvertrag unterstellt. Dies geschieht unabhängig davon, ob die betreute Person gebrechlich ist oder nicht. Der St.Galler Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft deckt so auch 24-Stunden-Betreuungsverhältnisse ab, bei denen sich die oder der Arbeitgebende nur zur Entlastung oder Kinderbetreuung eine Haushaltshilfe leistet.
Eine weitere Verbesserung zeigt sich bei der in der Praxis schwierigen Abgrenzung von Arbeits- und Präsenzzeit. Situationen, in denen Arbeitnehmende zwar den ganzen Tag im Haushalt anwesend sein müssen, der Zeitaufwand bei der Lohnabrechnung und Lohnkontrolle aber mehrheitlich nur als Präsenzzeit deklariert wird, sollen vermieden werden. Der revidierte Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft schreibt deshalb vor, dass wenigstens sieben Stunden Arbeitszeit am Tag oder dreieinhalb Stunden Arbeitszeit an einem Tag, an dem ein halber freier Tag bezogen wird, angerechnet werden müssen. Dafür entfällt die im Modell-Normalarbeitsvertrag des Bundes vorgesehene Unterteilung in mehrere nur schwer praktikable Präsenzzeitkategorien im Rahmen der Lohnberechnung.
Des Weiteren bringt der überarbeitete Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft bei der 24-Stunden-Betreuung eine gegenüber dem geltenden Recht verbesserte Pausenregelung und eine Reisekostenentschädigung für die notwendigen An- und Rückreisen der Arbeitnehmenden zwischen Wohn- und Einsatzort.
Bewilligungspflicht für Pflege
Wer neben hauswirtschaftlichen Tätigkeiten auch Pflegeleistungen zugunsten von Betagten und Kranken erbringt, benötigt dafür die entsprechende berufliche Qualifikation und eine Bewilligung des kantonalen Gesundheitsdepartementes. Der Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft hat keine Auswirkungen auf diese Bewilligungspflicht.