Das Bundesgericht befasste sich im Sommer 2018 mit der Kostenverteilung im Rahmen der Pflegefinanzierung. Es wies in einem Urteil auf eine Lücke im St.Galler Gesetz hin. Mit einem V. Nachtrag zum Gesetz über die Pflegefinanzierung will die Regierung diese Frage klären. Mit dem Nachtrag soll zudem die Abrechnung der Pflegekosten für die Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen einfacher werden. Der Gesetzesnachtrag stiess im Rahmen der Vernehmlassung weitgehend auf Zustimmung und wird nun dem Kantonsrat vorgelegt.
Bei einem Aufenthalt in einem Betagten- oder Pflegeheim entstehen Kosten für die Pflegeleistungen sowie für die Betreuung und Pension. Die Pflegeleistungen werden von der Krankenversicherung, den gepflegten Personen selbst und den Gemeinden (Restfinanzierung) bezahlt. Die Betreuung und die Pension müssen die gepflegten Personen vollumfänglich selber bezahlen. Besteht ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen, werden die Pensions- und Betreuungstaxen von der öffentlichen Hand finanziert. Das Bundesgericht hat sich im Sommer 2018 in einem Urteil mit der Umsetzung dieser Kostenaufteilung befasst und auf eine Gesetzeslücke im Kanton St.Gallen hingewiesen (siehe unten).
Schutz der Bewohnenden wird gestärkt
Pflegeleistungen dürfen Heimbewohnenden nur bis zu einem bundesrechtlich festgelegten Höchstansatz verrechnet werden. Die Krankenversicherer übernehmen ebenfalls einen bestimmten Anteil und der Rest wird im Kanton St.Gallen von den Gemeinden getragen. Das St.Galler Gesetz über die Pflegefinanzierung sieht auch für die Kostenübernahme der Gemeinden einen Höchstansatz vor. Dieser schützt die öffentliche Hand vor der Übernahme von Kosten, die aufgrund einer unwirtschaftlichen Leistungserbringung entstehen. Im Einzelfall kann es vorkommen, dass die Pflegekosten die Höchstansätze übersteigen. Laut Bundesgericht ist im Kanton St.Gallen nicht geregelt, wer dann diese Kosten zu tragen hat. Das oberste Gericht hält in seinem Urteil fest, dass diese nicht den Bewohnenden auferlegt werden dürfen.
Der nun vorgeschlagene Gesetzesnachtrag sieht deshalb vor, dass Pflegekosten, welche die Höchstansätze übersteigen, von der Einrichtung bzw. ihrer Trägerschaft getragen werden müssen. Wären die Kosten von der öffentlichen Hand, also den Gemeinden zu übernehmen, käme dies einer staatlichen Defizitgarantie gleich. Zudem wird eine Sanktionsmöglichkeit geschaffen, damit die Aufsichtsbehörde (das kantonale Amt für Soziales) in solchen Fällen angemessen intervenieren kann. Heute besteht einzig die Möglichkeit, dem Heim direkt die Zulassung zu entziehen (Streichung von der Pflegeheimliste), was einen massiven Eingriff darstellt. Damit die rechtmässige Ordnung mit einer verhältnismässigen Massnahme wiederhergestellt werden kann, soll es dem Kanton künftig möglich sein, zum Schutz der Bewohnenden für einen befristeten Zeitraum die Höhe der Pensions- und Betreuungstaxe festzulegen.
Vereinfachung der Abrechnung
Eine weitere Anpassung sieht die Gesetzesrevision bei der Abrechnung der Restfinanzierung vor. Bisher stellen die Heime die Beiträge den Bewohnenden in Rechnung, die diese wiederum mit der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St.Gallen (SVA) abrechnen. Neu sollen die Heime die Beiträge direkt mit der SVA abrechnen können.
Rückmeldungen zur Vorlage mehrheitlich positiv
Die Vernehmlassung zum vorliegenden Nachtrag dauerte bis zum 28. Februar 2020. Die Vorlage stiess insgesamt auf Zustimmung. Kritisiert wurde insbesondere von den beiden Heimverbänden die neu vorgesehene Sanktionsmöglichkeit durch den Kanton. Es wird befürchtet, dass diese neu geschaffene Sanktionsmöglichkeit nicht nur in Ausnahmefällen angewendet wird. In der Botschaft hält die Regierung jedoch fest, dass die aktuelle Praxis nicht grundlegend geändert werden soll. Allfällige Mängel bei der Verteilung der Kosten werden im direkten Austausch mit der betroffenen Einrichtung behoben. Die neue Regelung soll nur für den Fall greifen, dass keine Einigung auf dieser Ebene erfolgt. Nur für solche Ausnahmefälle braucht es ein griffiges Instrument, um gegen Verstösse verhältnismässig vorgehen zu können. Der Gesetzesnachtrag wird nun dem Kantonsrat zur Beratung vorgelegt. Weitere Informationen sind auf dem Ratsinformationssystem des Kantons St.Gallen verfügbar: www.ratsinfo.sg.ch → Geschäfts-Nr. 22.20.08.
Weitere Informationen zum Urteil des Bundesgerichts
Pflegeleistungen müssen gemäss dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) nicht nur qualitativ gut, sondern auch wirtschaftlich erbracht werden. Um diese Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten, kennt der Kanton St.Gallen das System der Höchstansätze. Danach legt die Regierung nach Anhörung der Gemeinden Höchstansätze für die Pflegekosten fest.
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 20. Juli 2018 (9C_446/2017) festgehalten, dass dieses System der Höchstansätze grundsätzlich bundesrechtskonform ist. Es hielt aber auch fest, dass im Kanton St.Gallen nicht geregelt sei, wer die Pflegekosten zu tragen hat, wenn diese im Einzelfall die Höchstansätze übersteigen. Gemäss Urteilsbegründung kommen dafür die für die Restfinanzierung zuständigen Stellen (im Kanton St.Gallen die Gemeinden) oder die Betagten- und Pflegeheime beziehungsweise ihre Trägerschaften in Frage. Nicht zulässig ist es, die Kosten den Bewohnenden in Rechnung zu stellen, insbesondere auch nicht indirekt über höhere Taxen für Betreuung und Pension. Passiert dies doch, muss der Kanton aufgrund seiner Aufsichtspflicht einschreiten.
Zudem müssen die Höchstansätze so festgelegt sein, dass die Heime nicht gezwungen sind, andere Erträge zu generieren. Damit die Betagten- und Pflegeheime faire und angemessene Preise für ihre Pflegeleistungen verrechnen können, müssen die Höchstansätze der Pflegekosten regelmässig überprüft und angepasst werden. Die Regierung hat die Höchstansätze zuletzt per 1. Januar 2019 erhöht.