Der Bundesrat erlaubt den Präsenzunterricht in der Volksschule ab dem 11. Mai 2020 wieder. Im Kanton St.Gallen werden die Schülerinnen und Schüler zuerst während vier Wochen in Halbklassen unterrichtet. Danach sollen vier Wochen im Normalbetrieb bis zu den Sommerferien folgen. Zudem hat die Regierung beschlossen, die schriftlichen Maturaprüfungen am Gymnasium durchzuführen, nachdem der Bundesrat dies den Kantonen freigestellt hat. Damit die Maturandinnen und Maturanden geschützt sind, werden derzeit Schutzkonzepte ausgearbeitet.
Der Bundesrat hebt das notrechtliche Verbot des Präsenzunterrichts auf 11. Mai 2020 auf. Damit fällt die Volksschule wieder in die grundlegende Zuständigkeit des Kantons, unter Vorbehalt der Einhaltung der Vorschriften zur Gesundheitsprävention. Bis zu den Sommerferien dauert das Schulquartal ab dem 11. Mai 2020 noch acht Wochen. Regierung und Erziehungsrat haben beschlossen, diese acht Wochen in zwei Phasen zu teilen: Vier Wochen wird vorerst in Halbklassen, vier weitere Wochen soll anschliessend im Normalbetrieb unterrichtet werden. Die Regierung wird die epidemiologische Entwicklung beobachten und den definitiven Entscheid zum Übergang in den Normalbetrieb rechtzeitig treffen und kommunizieren.
Lernprozess auf zwei Wochen ausgedehnt
In der Phase 1 werden die Schulklassen so aufgeteilt, dass im Ergebnis der Lernprozess einer Woche auf zwei Wochen ausgedehnt wird. Für Schulkinder, die nicht in der Schule sind, findet kein Fernunterricht mehr statt, sondern sie erledigen Hausaufgaben gemäss Lehrplan. Für diesen Ausstieg aus dem schulischen Lockdown sind Weisungen erarbeitet worden (https://www.sg.ch/bildung-sport/volksschule/aus-dem-amt/Corona.html), unter Mitsprache der Verbände des Schulwesens.
Der Einstieg mit Halbklassenunterricht erlaubt es, einen Kaltstart zu verhindern und die Lehrpersonen bei der Wiedereingliederung der Schulkinder in das Klassenleben zu unterstützen. Er steht zudem im Einklang mit der Strategie des Bundes, den Lockdown des Landes schrittweise und unter Beobachtung der epidemiologischen Entwicklung zu lockern. Das Modell ist im Grundsatz einfach, da es die Stundenpläne und die Grundeinteilung der Schulklassen nicht antastet. An den einzelnen Schulen ist das Halbklassenmodell unter Berücksichtigung der Situation vor Ort umzusetzen. Der Kanton wird Empfehlungen abgeben.
Jahreszeugnis für das «Corona-Schuljahr»
Nach mehreren Wochen Schulschliessung und Fernunterricht stellt sich die Frage, wie die Lehrpersonen die Leistungen und das Verhalten der Schülerinnen und Schüler der Volksschule beurteilen und ausweisen sollen. Während des Fernunterrichts fanden keine Prüfungen statt und es wäre nicht angebracht, wenn die Lehrpersonen in der kurzen Zeit bis zu den Sommerferien gehäuft Prüfungen ansetzen würden, um die Lücke kurzfristig zu füllen.
Dennoch haben die Schülerinnen und Schüler auch im laufenden Schuljahr das Recht, einen griffigen Leistungsausweis zu erhalten. Regierung und Erziehungsrat haben daher beschlossen, dass auch diesen Sommer ein Zeugnis mit Noten ausgestellt wird. Das Notenzeugnis soll sich indessen nicht nur auf das zweite Semester, sondern auf das ganze Schuljahr beziehen, das heisst beide Semester werden zusammengefasst. Damit kommt in der ganzen Volksschule für das Ausnahmejahr 2019/20 vorzeitig das Jahreszeugnis zum Tragen, wie es der Erziehungsrat für die Primarschule regulär ab dem Schuljahr 2021/22 einführt.
Matura mit schriftlicher Prüfung vollenden
Die Regierung und der Erziehungsrat begrüssen den Entscheid des Bundesrates, den Kantonen die schriftlichen Maturaprüfungen am Gymnasium nicht zu verbieten. Die epidemiologische Entwicklung erlaubt es, die schriftlichen Prüfungen durchzuführen. Die Regierung und der Erziehungsrat halten deshalb an diesen fest, einzig auf die mündlichen Prüfungen wird verzichtet. Dieser Entscheid ermöglicht es den Maturandinnen und Maturanden, ihre Hochschulreife auf regulärem Weg zu dokumentieren.
Die Maturaprüfung mit dem vorgelagerten Lernprozess ist unabhängig vom Gewicht der Noten ein Meilenstein auf dem Ausbildungsweg und eine prägende Lebenserfahrung. Der Abschlussjahrgang des «Corona-Schuljahres» soll nicht mit einer Matura stigmatisiert werden, die als unvollendet und zweitklassig in Erinnerung bleibt. Selbstverständlich werden bei der Durchführung der Prüfungen die Hygienevorschriften des Bundes eingehalten. Entsprechende Schutzkonzepte sind derzeit in Erarbeitung.
Mehr Spielraum bei der Prüfungsbewertung
In den Mittelschulen hat sich der Fernunterricht während des Lockdowns bewährt. Er eignet sich für ein freiwilliges, leistungsorientiertes Schulangebot. Dennoch mussten während der Schulschliessung auch die Mittelschülerinnen und Mittelschüler Abstriche im Wissens- und Kompetenzerwerb hinnehmen. Daraus können sich bei der Gesamtbewertung der Matura einzelne Härtefälle ergeben. Um solche abzufedern, hat der Erziehungsrat zwei besondere Massnahmen für den aktuellen Jahrgang beschlossen: Erstens werden die Prüfungsnoten im Vergleich zu den Vornoten einmalig nicht hälftig, sondern nur zu einem Drittel gewichtet.
Zweitens ist der sogenannte «Rettungsparagraph», der eine Notenverbesserung auf-grund achtenswerter Umstände erlaubt, dieses Jahr auf zwei Fächer statt auf nur ein einziges Fach anwendbar. Für die Abschlussprüfungen der Fachmittelschule wird gleich vorgegangen wie für die gymnasialen Maturaprüfungen.
Keine Abschlussprüfungen für die Berufsmaturität
Die Regierung nimmt den Entscheid des Bundesrates zur Kenntnis, in jenen Lehrgängen, die zur eidgenössisch geregelten Berufsmaturität führen, auf die Abschlussprüfung gänzlich zu verzichten. Dies betrifft die Wirtschaftsmittelschule und die Informatikmittel-schule. Hier wird für die Leistungsbewertung ausschliesslich auf die Erfahrungsnoten abgestellt.
Petition der Mittelschüler rechtfertigt Prüfungsverzicht nicht
Viele Exponenten des Schweizerischen Hochschulwesens, alle St.Galler Rektorinnen und Rektoren und die Mehrheit der Lehrpersonen unterstützen die Durchführung der schriftlichen Prüfung. Es ist trotzdem nachvollziehbar, dass sich viele Mittelschülerinnen und Mittelschüler mit Petitionen für einen Prüfungsverzicht stark machen. Die Regierung ist aber überzeugt, dass den Schülerinnen und Schülern auf längere Sicht mit der «unvollendeten Matura» nicht gedient wäre. Die Regierung leistet dem Anliegen daher nicht Folge.
Während des Lockdowns wurde den Schülerinnen und Schülern stets signalisiert, dass die Prüfungen voraussichtlich stattfinden werden. Sie hatten demnach ausreichend Gelegenheit, sich darauf vorzubereiten. Durch den Verzicht auf die mündlichen Prüfungen und die damit entfallende aufwändige Literaturlektüre in den Sprachfächern erhalten die Schülerinnen und Schüler zusätzliche Zeit, um sich optimal auf die schriftlichen Prüfungen vorzubereiten.